In L`Aber Wrac`h gibt es Muschelfarmen, die nur bei Niedrigwasser „auftauchen“. Da stehen dann Arbeiter bis zum Bauch im Wasser und drehen flache Körbe um, die auf Stellagen liegen und in denen die Muscheln sind. Sie schlagen mit Stöcken auf die Körbe ein und legen sie wieder hin.
Jürgen, unser neues Crewmitglied kam planmäßig mit dem Taxi in L`Aber Wrac`h an, bekam eine kurze Einweisung ins Boot, ein Bier und dann ging es ab in die Koje.
Morgens um 7.00 Uhr ging`s schon los mit der Strömung aus dem Fjord raus, dem Sonnenaufgang entgegen ... die HOLLY GOLIGHTLY vorneweg.
Tag 1, 27.8.22
Kaum auf offener See bekam HOLLY ein Problem mit dem Propeller, vielleicht ein Fischernetz? Wir funkten miteinander, HOLLY war manövrierunfähig, Jürgen, der sehr gut französisch spricht, telefonierte mit der Hafenmeisterin in L`Aber Wrac`h und leitete die Rettungsaktion ein. Wir gingen davon aus, dass HOLLY unter Segeln Richtung Hafen zurückkommt und ihr das Rettungsboot entgegen kommt und sie abschleppt … leider eine fatale Fehleinschätzung! Die Gegenströmung war zu stark und der Wind gleichzeitig zu schwach, so dass HOLLY nicht Richtung Hafen kam, sondern immer weiter abtrieb. Hätten wir das richtig eingeschätzt, wären wir geblieben, wir hörten dann später den Pan-Pan-Ruf über Funk, aber da waren wir schon zu weit entfernt. Mit einem sehr unguten Gefühl und großen Sorgen um HOLLY, zu der wir keine Verbindung mehr hatten, passierten wir die Ile d`ouessant, über die es jede Menge Horrorgeschichten gibt, aber an diesem Tag war sie friedlich und uns wohlgesonnen. Hier steht der berühmte Leuchtturm PHARE DE LA JUMENT, der von Jean Guichard fotografiert wurde, dieses Foto ging um die Welt. Es gab eher zu wenig Wind, dafür sehr viele Delfine.
Abends teilten wir die Nachtwachen ein: Jutta 20.00 – 22.00, Thomas 22.00 – 0.00, Jürgen 0.00 – 2.00, Jutta 2.00 – 4.00, Thomas 4.00 – 6.00, Jürgen 6.00 – 8.00, somit bekam jeder 4 Stunden Schlaf am Stück – theoretisch, wenn man nach der spannenden Nachtwache gleich schlafen könnte.
Nachts um 3.00 Uhr ging Thomas auf´s Vorschiff, um den Parasailor zu bergen, weil der Wind immer mehr nachließ, die Nacht war sehr dunkel, wegen des Neumondes, hatte aber einen tollen Sternenhimmel.
Tag 2, 28.8.22
Der Wind frischte wieder auf und der Parasailor ging wieder hoch, was den ganzen Tag über sehr gut lief. Rundum war nur Wasser, kaum andere Schiffe, hin und wieder ein paar Delfine, so dass wir abwechselnd kleine Nickerchen machten, um für die nächste Nacht wieder fit zu sein. Das war eine gute Idee, denn die kommende Nacht wurde sehr anstrengend. Zwischendurch besuchte uns ein kleiner Vogel mit gelbem Gefieder und wir fragten uns, wie er es geschafft hatte, so weit zu fliegen. Wie beobachteten ihn eine Weile und sahen, dass er es auf die Spinnen und Motten abgesehen hatte, die zeitweise auf unserem Schiff wohnen.
Abends wurde der Wind immer mehr, bis 23 Knoten, zuviel für den Parasailor, also wieder Segelwechsel, diesmal aber gerade noch bei Tageslicht. Wir rauschten mit 7 Knoten Geschwindigkeit und hohen Wellen, die von allen Seiten kamen, durch die Nacht. Jürgen ging gegen Mitternacht kurz unter Deck und kam heftig seekrank wieder rauf. Ihm ging`s gar nicht gut, er musste sich übergeben und Thomas und ich übernahmen die restlichen Nachtschichten. Immer wieder zogen Blitze über den Himmel und wir waren alle sehr froh, als es wieder hell wurde.
Tag 3, 29.8.22
Der nächste Tag brachte mittelstarken Wind, dann Flaute und dann wieder stärkeren Wind auf neuem Kurs „am Wind“, also wieder ordentliches Geschaukel. Jürgen ging es langsam besser, auch wenn er noch nichts essen wollte. So langsam hatten wir alle genug von dem Auf und Ab und waren wirklich müde. Gegen Abend kam die spanische Steilküste in Sicht ... großartig! Aber es dauerte noch bis 1.00 Uhr nachts, bis wir im Hafen Marina Real de Coruna ankamen. Die Ansteuerung im Dunkeln war spannend, weil man die ganzen, blinkenden Bojen mit verschiedenen Frequenzen, die in der Seekarte eingezeichnet sind, zuordnen musste, 3 x Blinken in grün, 9 Sekunden Pause.
Ein Marinero (Hafeneinweiser) gab Blinkzeichen mit einer Taschenlampe und Thomas steuerte uns sicher in die angewiesene Box. Dann gab`s noch einen Anlegeschnaps, ein Bier und ab in die Koje.
Am nächsten Morgen oder eher Mittag orientierten wir uns, wo wir eigentlich gelandet waren, meldeten uns an, erstmal unter die Dusche und Frühstück in einer Bar. Alles war ein bisschen unwirklich, die Welt schwankte noch etwas, die grauen Zellen funktionierten noch nicht so richtig, schon gar nicht auf spanisch, aber es fühlte sich seeeehr gut an, angekommen zu sein, erstmal egal wo.
Nächstes Mal berichten wir von A Coruna, wo Jürgen noch bis zum Freitag mit uns an Bord war. Danke für Deine Unterstützung und die so leckeren
Crepes, Jürgen!
von Jutta
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SY Kairos (Samstag, 03 September 2022 00:21)
Glückwunsch zur echten Off Shore Leistung! Wir freuen uns auf weitere Geschichten und hoffen, Euch nächstes Jahr hinterher zu segeln.
Auf Bald,
Nicolai+Daniela
Micha P. (Montag, 05 September 2022 08:37)
Hi ihr Lieben
Schöne Grüße auch an Jürgen M.
Spannender Bericht über die erste Hochseeetappe. Ein Vorgeschmack auf zukünftige Strecken. Schön dass bei euch alles gut ging. Mit der Holly schon wieder Kontakt gehabt?