Laut Wetterbericht sollte es Richtung Cascais keinen Nebel, dafür guten Segelwind geben. Die Realität war: dichter Nebel und sehr wenig, später dann sehr viel Wind. Der Plan war, in einer Ankerbucht auf halbem Weg nach Cascais zu übernachten.
Wir fuhren zunächst ein paar Kreise im Vorhafen von Peniche, um den Autopiloten zu kalibrieren, damit er wieder funktioniert. Thomas hatte ihn bis dahin überredet, wieder eine Position anzuzeigen, die aber nicht stimmte. Nach 5 Kreisen gaben wir es auf .. weitere Kreise vorm Hafen brachten das gleiche Ergebnis, nämlich keins. Weitere Versuche, den Autopiloten wieder in Betrieb zu nehmen, endeten damit, dass er völlig „aus dem Ruder lief“, also hieß es wieder von Hand zu steuern.
Die Ankerbucht erwies sich als ungeeignet, zu viel Welle, zu wenig Platz zu Felsen und zweifelhafter Ankergrund. Wir beschlossen, unter Motor und dicht am Land weiter zu fahren nach Cascais. Ohne Autopilot – grrr. Langsam wurde es dunkel und kalt. Wir erreichten Cascais gegen 20.30 Uhr, vorm Hafen lagen einige ankernde Schiffe, die nur an einem kleinen Licht oben am Mast (Ankerlicht) auszumachen waren. Dazu gab es eine kleine rote Boje, um die man rum manövrieren musste. Im Dunkeln ist es sehr schwer, Entfernungen zu Lichtern einzuschätzen. Mit Schweiß auf der Stirn (plötzlich war es nicht mehr kalt) unter der Stirnlampe erreichten wir den Meldesteg und danach auch mit Taschenlampe und ganz langsam die zugewiesene Box. Anlegeschnaps … Essen … Koje!
Mittwoch morgens sagten wir Hallo zu einem anderen deutschen Schiff im Hafen, das auch die Transocean-Vereinsflagge gehisst hatte, der MILES 2 GO. Wir bekamen einen Kaffee und die Geschichte eines Orca-Angriffes zwei Tage vorher. Die Tiere hatten das Ruder nicht zerstört, wie sich beim Kranen herausstellte, aber sie hatten das 20 t schwere Schiff ordentlich rumgeschupst und der Schreck saß Jochen und Birte noch ziemlich in den Knochen. Der solide, schwedische Qualitätsbau von Hallberg-Rassy hatte sie vermutlich gerettet.
Donnerstag fuhren wir mit dem Fahrrad los, um die Gegend zu erkunden und wunderten uns, dass so viele superfitte Leute unterwegs waren mit Hightech-Rädern und joggend in hohem Tempo, fitte Gegend dachten wir, bevor wir erfuhren, dass 2 Tage später eine Ironman-veranstaltung in Cascais geplant war. Cascais hat einen schicken Hafen mit Cafés, Restaurants und Schicki-micki-läden, Palmen und dem entsprechenden Publikum (Hafengebühren sind leider auch schick). Nachmittags fuhren wir mit dem Zug nach Oeiras, ein Ort zwischen Cascais und Lissabon. Hier hatten wir einen Winterliegeplatz angefragt und keine Antwort bekommen. Wir erfuhren, dass wir Platz 86! auf der Warteliste haben könnten, der Letzte, der einen Platz bekommen hatte, war seit 2018 auf besagter Liste … obrigada und das war´s dann wohl. Leider sieht die Situation in allen Häfen um Lissabon so aus. In dem Hafen, in den wir am liebsten wollten und uns schon vor Monaten um einen Platz beworben haben, stehen wir auf Platz 4. Für unsere Schiffsgröße ist es schwierig und komplett unkalkulierbar, wann man einen Platz bekommt. Wir überlegen also hin und her … sollen wir warten? Weitersegeln? Wohin? Algarve? Madeira? Sevilla? Klingt ein bisschen nach Luxusproblem.
Thomas bestellte erstmal einen Ersatzkompass (so ein altes Teil, das klingt wie Flux-Kompensator) bei Ebay in Fehmarn, weil man so ein Teil nicht mehr kaufen kann. Es wurde per DHL Express ans Hafenbüro geliefert. Anfang der Woche kam noch ein Elektronikexperte. Ende der Geschichte ist, dass der Fluxgate Kompass ok war (jetzt haben wir dann ein Ersatzteil), aber der Kurscomputer ein Problem hat. Wir werden somit jetzt ohne AP weiterfahren und über Winter hoffentlich einen Gebrauchten finden, die sind wegen unserer 24 V nämlich leider selten.
Am Donnerstag vertrieben wir uns die Zeit mit einem Besuch in Lissabon, eine halbe Zugstunde von hier. Wir besuchten die XL-factory, ein altes Industriegelände mit sehr viel morbidem Charm, Cafés, Restaurants und kleinen Start-up-Läden, fuhren mit einer historischen Tram (20 Sitzplätze und Touri-standardprogramm) einen großen Loop durch die Stadt durch enge Gassen mit unzähligen Cafés und Miniläden rauf und runter. Am Spätnachmittag ließen wir den Besuch im Time-out-market mit asiatischem Essen ausklingen. Hier gab es die unterschiedlichsten Angebote, vom Sternekoch bis zum Hamburger. Dann gings mit dem Zug zurück nach Cascais und mit dem Fahrrad durch die komplett abgesperrte Stadt, die sich auf den Ironman vorbereitete.
Samstag stellten wir uns einen Wecker, um den Start des Ironmans 70.3 um 7.40 Uhr am Stadtstrand zu sehen. Beeindruckend, wie sich fast 3000 Teilnehmer in kurzen Abständen vom Stadtstrand in die Bucht stürzten. Der Wettkampf zur Qualifikation zum ironman auf Hawai für die Profis besteht aus 1,9 km Schwimmen, 90 km Radfahren und 21 km Laufen. Die meisten Teilnehmer machten aber die doppelte Distanz und abends um 22.00 waren immernoch ca. 300 Teilnehmer nicht im Ziel. Die Laufstrecke führte durch den Hafen in Sichtweite unseres Bootes vorbei .. wir also praktisch in der ersten Reihe.
Vormittags hatten wir noch die Möglichkeit ein einzigartiges Schiff zu besichtigen, die „Peter von Seestermühe“, die in einer Box schräg gegenüber liegt.
https://www.peter-von-seestermuehe.de/home/
War sehr spannend, den Eigner und die derzeitige Crew kennenzulernen. Hier wird noch ohne jeglichen neumodischen und elektronischen Schnick-schnack gesegelt, ohne Autopilot, Plotter oder
Elektrowinch, sondern mit Papierkarten und Sextant.
Sonntag machte sich Jutta allein auf nach Lissabon, um dem Lagerkoller zu entgehen und einen Tag lang durch die Stadt zu streunen. Richtig erleben kann man die Stadt, wie viele andere auch, nur zu Fuß, was in Lissabon bedeutet rauf-runter, rauf-runter, rauf-runter…tausende von Stufen.
Montag beschlossen wir, mal unverbindlich anzufragen, was die Überarbeitung von Jobbers Unterwasserschiff in der Werft um die Ecke kosten würde. Die Arbeiten hatten wir uns für`s Frühjahr 23 vorgenommen, aber nach Wetterbericht mussten wir mindestens noch eine knappe Woche warten, bis der Wind aus der richtigen Richtung kam…also hatten wir ja Zeit. Wir hatten von anderen Yachties von der MILES2GO, die ihr Schiff hier nach einem Orcaangriff ausgekrant hatten, gehört, dass der Betrieb hier einen professionellen Eindruck macht. Also diskutierten wir mit Pedro hin und her, überredeten ihn, uns auf dem Schiff wohnen zu lassen, solang wir an Land stehen (ein bisschen inoffiziell…“you don`t tell anyone, okay?“) und beauftragten die Arbeiten, Kranen, Abstrahlen, Schleifen, 3 Anstriche Antifouling, Spezialbeschichtung des Propellers und Reparatur des Ropecutters (Schneidmesser vor dem Propeller, das verhindert, dass Leinen oder Netze in den Propeller geraten).
Dienstag kam noch der Techniker für den Autopiloten, der zum gleichen Ergebnis kam, wie Thomas. Entweder ist der Fluxgatekompass (220 € bei ebay) kaputt oder der Kurscomputer (3400 € neu). Wie war das nochmal mit dem Loch im Wasser, in das man Geldscheine wirft? Der Ebay-kompass kam und war nach ein paar Tests leider nicht die Ursache des Problems .. wäre ja auch zu schön gewesen! Am späten Vormittag kam Jobber an den Kran und auf ein paar Stützen an Land. Wir steigen jetzt über eine Leiter am Heck ein und aus (ich nenne sie die „Leiter des Grauens“), haben Strom, aber kein Abwasser und kein benutzbares Klo für etwa eine Woche.
Da es gerade immer wieder regnet, scheint sich auch der Anstrich noch zu verzögern. Aber wir sind ja flexibel …
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Kairos (Mittwoch, 26 Oktober 2022 14:13)
Ich hoffe, Ihr seid bald wieder im Wasser und könnt einen schönen Hafen zum überwintern ansteuern (hoffentlich mit Autopilot).
Wir drücken die Daumen, dass die Schiffsreparaturen dann erst mal erledigt sind und Ihr Eure Freiheit genießen könnt. Wir werden am WE absegeln und uns langsam auf den Winter vorbereiten.
LG, Nicolai u. Daniela
Micha P. (Sonntag, 30 Oktober 2022 22:54)
Hi ihr Zwei,
Schön dass ihr wieder auf dem Wasser seid, aber schade, dass ihr nichts zum Überwintern im Raum Lissabon gefunden habt. Hätte euch sehr gerne nächsten Sonntag dort besucht. Ich wünsche euch weiterhin gutes Wetter und hoffentlich jetzt endlich ein pannenfreies Weiterkommen