Am übernächsten Tag beschlossen wir, uns mal den britischen Teil Gibraltars anzuschauen, das geht locker zu Fuß und als Europäer muss man nur mit dem Pass winken und es gibt keine großartigen Formalitäten. Man läuft über die Startbahn des Flughafens in die Innenstadt, wenn eine Maschine startet oder landet, geht eine Schranke runter und man wartet etwa 10 Minuten.
Gibraltar ist sehr dicht bebaut, es gibt viele Hochhäuser, ein ziemliches Gewusel von Einheimischen, Spaniern und Touristen von Kreuzfahrtschiffen. Die vielen Touristen konzentrieren sich in der MainStreet, wo man sehr günstig Schmuck, Elektronische Geräte, Spirituosen und Zigaretten kaufen kann und auf dem „Felsen“, auf den man mit einer Kabinenbahn oder dem Taxi rauffahren kann. Unser Ziel war allerdings Dave, unser Elektriker, der eine Woche später mit der Batteriemontage beginnen sollte und SHEPPARDS, ein Laden für Bootszubehör … hier sollte man uns schon bald kennen, weil wir alle paar Tage irgendetwas brauchten. Außerdem sind viele Dinge in Gibraltar sehr günstig, da die Mehrwertsteuer entfällt … daher auch die neue Batterie.
In La Linea, also in Spanien, gab es die ganze Karwoche (La Semana Santa) über Prozessionen in der Stadt. Am Gründonnerstag schauten wir uns eine an. Mit viel Aufwand, Musik und vielen Zuschauern wird eine Marienstatue durch die Straßen getragen bis spät in die Nacht. Das Ganze hat in unseren Augen einerseits etwas sehr dramatisches, aber andererseits gleicht die Stimmung weniger einem kirchlichen Fest, wie wir es aus Deutschland kennen, sondern mehr einem Volksfest. Groß und Klein ist auf den Beinen und es wird gelacht, getrunken und gefeiert.
Da die Alcaidesa Marina in La Linea, entgegen unserer Info, doch bereit ist Pakete für Segler anzunehmen, ergriff uns kurzfristig eine Art Torschlusspanik. Wir wussten von anderen Yachties, dass es auf den Atlantikinseln sehr schwierig, langwierig und manchmal unmöglich ist, sich Dinge vom Festland schicken zu lassen. Also überlegten wir, was wir noch alles brauchen könnten. Die Grübelei endete mit der Bestellung einer Starlinkantenne, eines Waschtrockners aus Holland, diversen Dingen von Amazon und dem Standard-Bootszubehör-Versand SVB.
Im Hafen lernten wir mal wieder interessante Leute auf einem Katamaran kennen. Er Franzose und seine Frau aus Venezuela, die eigentlich gar nicht gerne segelt. Bei ein paar Bier, eigentlich wollten wir nur schnell unseren USB-Stick zurück, den wir verliehen hatten, bekamen wir ein paar Insidertipps für die Hurricane-saison (ein Süßwassersee in Guatemala … na ja, mal sehen)
Am Ostersonntag fuhren wir mit dem Boot rüber nach Gibraltar in die Queensway Quay Marina, die wir ein paar Wochen zuvor reserviert hatten, mit einem Zwischenstopp an der Tankstelle (Diesel auch günstig ohne Mehrwertsteuer), von wo wir besten Blick auf die Startbahn hatten, und einer Rechnung von rund 1000 € … supergünstig … wie war das noch mit dem Loch im Wasser, in das man Geld wirft … in diesem Fall britische Pfund? Die Queenway Quay Marina hatte schlammige Moorings (im Hafenbecken am Boden verankerte Festmacherleinen), die das gesamte Schiff verdreckten. Außerdem gab es ein interessantes, etwas schräges Publikum, very britisch, und viele Schiffe, die sehr sturmsicher mit alten Motorradreifen am Steg befestigt waren … hmm müssen wir da event. noch nachrüsten?
Am Dienstag nach Ostern kam Dave, der Elektriker unseres Vertrauens, und begann mit der Montage der neuen Lithium-Batterie von Mastervolt (Mercedes unter den Batterien). Wir waren schon froh, dass es ihn überhaupt gab, denn wir hatten ihm im Vorfeld einen nicht unerheblichen Betrag überwiesen für die Bestellung der Batterie und einige Steuergeräte. Die Montageaktion dauerte eine gute Woche … alte Batterien raus … neue rein … einige Km Kabel … lots of stuff … and a lot of chaos! Bis zu 3 Elektriker waren gleichzeitig an Bord, waren superfleißig und arbeiteten sehr effizient mit Thomas zusammen, so dass auch er einen guten Überblick gewinnen konnte. Wir lernten ein paar neue Vokabeln: HOOVER ist ein Staubsauger und SNIPPY-SNIP-SNIP ist ein Seitenschneider … der britische Slang war manchmal nicht ganz einfach zu verstehen … sorry? Wir dachten eigentlich, wir sind nicht so schlecht in Englisch, aber von den Unterhaltungen der Briten untereinander verstanden wir so gut wir NADA. Die Woche war in Summe sehr anstrengend, aber erfolgreich und manchmal hatten wir abends keine Lust mehr zu kochen und gingen einfach in den nächsten britischen Pub und es gab Fish and Chips oder Bangers and Mash (Würstchen mit Kartoffelpüree) und immer versteckten sich unter den Pommes oder dem Püree ein paar komplett ungewürzte Erbsen … very britisch, aber egal.
Auch spannend sind die Waren in den britischen Supermärkten, ein für uns doch ungewöhnliches Angebot, von Teebeuteln sackweise über unendliche Biersorten bis hin zu Käse aus der Tube. Die Chinaläden auf der spanischen Seite sind aber auch mehr als spannend …
Eine tolle Besonderheit im Hafen war auch die Tauschbörse (Bermuda-dreieck) im Gebäude der Sanitäranlagen. Hier gab es neben Büchern in allen möglichen Sprachen auch ausrangierte Kleidung, Toastbrot oder alkoholfreies Bier. Man bringt Dinge, die man nicht mehr braucht ( z.B. alte Feuerlöscher, Plexischeiben oder ein kaputter Windmesser von der Jobber) und nimmt Dinge mit, die man brauchen kann … großartig und irgendwie nachhaltig.
Das Müllkonzept Gibraltars war leider alles andere als nachhaltig. Es gab nur einen Container für alles (Plastik, Glas, Papier, Restmüll) ganz schwierig für einen wertstoffhofgewöhnten Schwaben. Es endete damit, dass wir den Müll wieder mit nach Spanien nahmen, wo wenigstens Glas und Plastik getrennt werden … man kann halt nicht raus aus seiner deutschen Haut.
Leider versenkte Thomas sein Handy noch im Hafenbecken der Queensway Quay Marina, nachdem er ein wahrscheinlich sehr schönes Foto des Affenfelsens in der Abenddämmerung geschossen hatte … klong-klong-platsch! Schade und das fehlende Foto (und die vielen anderen Fotos) ist das geringste Problem, weil doch sehr viel an Kontakten, push-tan Zugängen zu Banken und wer weiß was noch in so einem Gerät stecken … seeehr ärgerlich! Wir kauften ein neues Handy in der MainStreet und die Ersatz-SIM-Karte kommt hoffentlich bald mit Freunden aus Deutschland.
Wir verlängerten den Aufenthalt in Gibraltar um ein paar Tage und fuhren am 19. April, als die Elektroarbeiten abgeschlossen waren, wieder zurück nach La Linea. In der Reception der Marina warteten schon eine Menge Pakete auf uns. Die Starlinkantenne, der Waschtrockner und ein paar Amazonpakete waren schon eingetroffen, also ein paar neue To-do-punkte auf der nie kürzer werdenden Liste. Die Installation der Antenne war einfach … Aufstellen … Anschließen … sss-sss die Antenne richtet sich aus … fertig! Jetzt haben wir wieder Internet, nach 10 Tagen Gibraltar mit begrenzten mobilen Daten … großartig!
Nicht ganz so einfach war die Installation der Waschmaschine, aber nach knapp 2 Tagen lief auch das Gerätchen.
Wir tauschten noch die Plexiglasscheiben in 3 Decksluken, leider 2 Mal, weil das erste Silikon nicht fest wurde. Etwas sehr mühsames 2 Mal zu machen macht so gar keinen Spaß, aber der 2. Versuch glückte.
Jetzt gibt es noch, wie immer, ein paar Dinge zu tun, bis unserer Freunde aus Münster am 1. Mai einfliegen. Dann wird es, sobald das Wetter passt, über die Straße von Gibraltar Richtung Marokko gehen. Ismail, ein marokkanischer Altenpfleger in der Einrichtung meiner Mutter in Münster, unterstützt uns ganz großartig mit der Planung eines Roadtrips durch Marokko. Im nächsten Blog gibt es hoffentlich sehr schöne orientalische Fotos aus Marokko.
Bis dann ...
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Loui (Freitag, 05 Mai 2023 11:21)
Eine Waschmaschine an der Wand? Echt jetzt? Wie scharf ist das denn!
😍 <3
LG Loui
Micha P. (Dienstag, 09 Mai 2023 13:28)
Euch wird’s echt nicht langweilig � quasi komplett neue Stromversorgung, Waschmaschine und so fort.
Mittlerweile seid ihr ja schon in Marokko angekommen. Lief die Querung der Straße von Gibraltar problemlos?
LG Micha