Über die Straße von Gibraltar nach Marokko

 

Am 1. Mai kamen Edith und Rainer aus Münster mit dem Flieger nach Malaga und von dort mit dem Mietauto zu uns in den Hafen in La Linea. Wir hatten uns zuletzt Anfang Februar in Münster gesehen, unseren gemeinsamen Marokkotrip geplant und freuten uns jetzt auf ein Wiedersehen und das vor uns liegende Abenteuer. Wir hatten das Mietauto noch einen weiteren Tag und nutzten es zum Einkaufen und Proviantieren … toll, den Inhalt des Einkaufswagens einfach in den Kofferraum packen zu können, anstatt in den Rucksack und auf`s Fahrrad. Den Nachmittag verbrachten wir „drüben“ in Gibraltar, ein letztes Mal zum Schiffsausrüster und ein letztes Mal zum Spirituosenhändler. Abends gab es den mitgebrachten, frischen Spargel aus dem Münsterland, den hatten wir wirklich vermisst!

 

 

Außerdem gab es eine Sicherheitseinweisung für die Überfahrt und ein Szenario für einen Orcaangriff. Gibraltar ist zu dieser Jahreszeit der absolute Hotspot für die Killerwale, da sie die Thunfische jagen, die aus dem Mittelmeer kommen und im April gab es hier zahlreiche Angriffe. Rainer würde die Feuerwerkskörper zünden und ins Wasser werfen, Edith das Nebelhorn blasen, Thomas die Segel runter und an einem im Wasser hängenden Edelstahlrohr dengeln und Jutta die hydraulische Steuerung unter Deck auskuppeln und Sand aus Kanistern ins Wasser streuen … soweit der Plan, der so hofften wir alle, nicht zum Einsatz kommen würde.

Morgens starteten wir früh von La Linea, da das Wetterfenster bez. Wind, Strömung und Tide für die Überfahrt von Gibraltar nach Rabat gut passen sollte. Wir rechneten mit einem Tag, einer Nacht und einem weiteren halben Tag bis zum Ziel. Wir hielten uns zunächst an der spanischen Küste, nahmen dann den kürzesten Weg rüber über die vielbefahrene Straße durch eine Lücke zwischen den Tankern, Frachtern und Fähren zur marokkanischen Küste. Hier gab es viel Wind und fiese Wellen (sogenannte Eddies), aber wir nahmen das bewusst in Kauf, um in flachen Gewässern den Orcas zu entgehen. Am Kap Spartel ließ der Wind nach und wir starteten den Motor, um an der marokkanischen Küste, wieder küstennah, denn auch hier hatte es einen Angriff gegeben, Richtung Süden zu fahren.

 

An der Küste entlang gab es Fischerboote, sehr große Thunfischnetze und immer wieder unverständliche Funksprüche der marokkanischen Marine: „Marocan Navy, Marocan Navy …kkkrrrr … sailingvessel … kkkrrrr“ wir fragten uns schon, ob unser Funkgerät kaputt ist. Sie fragten immer wieder nach unserem Namen, unserer Flagge, der aktuellen Position, der Anzahl von Personen an Bord, sagten aber nicht, warum sie uns eigentlich anfunkten. Wir antworteten immer und immer wieder mehr oder weniger geduldig das Gleiche und fragten uns, ob es so ungewöhnlich ist, dass hier ein europäisches Segelboot vorbeikommt.

Wir aßen zu Abend und vereinbarten die Wacheinteilung für die Nacht: Jutta und Rainer 21.00 - 24.00 Uhr, Thomas und Edith 24.00 - 3.00 Uhr, Jutta und Rainer 3.00 – 5.00 Uhr, Thomas und Edith 5.00 - 7.00 Uhr, dann sollte es wieder hell sein. Der Plan ging sowas von gar nicht auf! Es begann mit komischen kleinen Flecken auf dem Radar ... Boote waren es nicht … plötzlich schrie Rainer „Bremsen! Da ist ein Netz!“ Bremsen geht mit unserem Boot nicht so einfach, also Abdrehen und knapp dran vorbei. Puuuh, die Freiwache stürmt an Deck und alle sind wach! Das Adrenalin war gerade wieder auf Normalmaß, da kam uns ein Fischerboot ohne Beleuchtung sehr nahe … wieder alle wach! Die Nacht ging so angespannt weiter, einer starrt auf den Radarbildschirm (ohne den wir keine Chance gehabt hätten), der Andere ins Dunkel, zwischendurch wieder Funksprüche der „Marocan Navy“. Alle waren unglaublich froh, als es wieder hell wurde.

 

Nachmittags kamen wir Rabat, unserem Ziel, immer näher, funkten den Hafen an, aber wie schon zig-mal vorher kam keine Reaktion, weder über E-Mail oder Telefon, noch über Funk. In die Flussmündung, an der der Hafen liegt, sollte man eigentlich nicht ohne Begleitboot einfahren, da es Untiefen und Wracks gibt. Also gab es zwei Möglichkeiten:
1. Allein Richtung Hafen, 2 Stunden vor Hochwasser, mit dem Risiko der Untiefen,
2. 30 Meilen weiter nach Mohammedia, wo auch keiner reagierte. Für 2. waren wir, nach der Nacht, alle zu müde, der Skipper war bereit, das Risiko zu tragen und fuhr sehr langsam in den Fluss, immer ein Auge auf dem Tiefenmesser. Wir erreichten heil den Meldepontoon, machten erstmal fest, um dann zu erfahren (nur auf französisch), dass wir nicht bleiben konnten, weil der Hafen umgebaut wurde. Nach einigem hin und her … peut-etre eine Nacht?  Non-non, nachdem der Marinero seinen Chef und der Chef-chef den Polizeichef gefragt hatte, konnten wir tatsächlich zuerst für eine Nacht und dann für eine Woche bleiben … Inshallah! Dann kamen jede Menge wichtige Persönlichkeiten in verschiedenen Uniformen, Formulare wurden ausgefüllt, das Boot inspiziert, die Drohne einkassiert und wir konnten irgendwann auf einen Liegeplatz im Hafen und etwas essen gehen.

Am nächsten Tag erkundeten wir Rabat und bereiteten uns auf die Weiterfahrt nach Mohammedia vor, denn um in Rabat bleiben zu können, hätte jemand dauerhaft an Bord bleiben müssen, um es eventuell wegen der Baustelle an einen anderen Steg zu verlegen. Das passte mit unseren Plänen und dem Trip durchs Inland nicht zusammen. Wir hatten den Hafenchef gebeten, in Mohammedia anzurufen und uns anzukündigen.

Am nächsten Tag warteten wir die Flut ab, zahlten 25€ für zwei Nächte, erledigten die ganzen Formalitäten mit Polizei und Zoll (diesmal mit Drogenhund) und wurden dieses Mal mit zwei Booten als Begleitschutz aus der Flussmündung geleitet … na also.

 

Mohammedia war 36 Meilen entfernt, also überschaubar. Diesmal antwortete jemand auf unseren Funkspruch auf französisch und wir hatten tatsächlich einen Platz in dem Industriehafen zwischen Fischerbooten und großen, stinkenden Frachtern an einer Mooring. Hicham empfing uns sehr freundlich und informierte gleich mal die ganze uniformierte Maschinerie. Diesmal konnten wir unsere Drohne behalten, mussten sie aber in einem wasserdichten Koffer einschließen, der sorgfältig verblombt wurde. Der Hafen war unglaublich dreckig und die sanitären Anlagen ohne Worte. Wir packten unsere Taschen für den Marokkotrip, machten das Boot für unsere Abwesenheit klar (alle Schotten dicht und Fenster zu wegen event. Ratten) rundum Fender und Ruckdämpfer und Edith kochte das Abendessen.

Hicham, der Marinero, hatte versprochen, uns am nächsten Tag mit seinem Auto nach Casablanca zum Bahnhof zu fahren und solange wir weg sein würden, auf unser Boot aufzupassen. Ob er wohl um 8.00 Uhr da sein würde? Inshallah!

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Kommentare: 1
  • #1

    Martin Völlnagel (Mittwoch, 25 Oktober 2023 21:19)

    Echt toll und cool!