Am letzten Tag unserer Marokkoreise fuhren wir nach dem Frühstück über die Autobahn in Richtung Marrakesch und nach einem Einkauf zum Bahnhof, wo wir uns von Ismail verabschiedeten. Er war wirklich ein sehr angenehmer Begleiter, der uns seine Heimat auf sehr authentische Art näherbrachte, besser hätten wir es wohl kaum erwischen können.
Mit dem Zug ging es wieder zurück nach Mohammedia, mit dem Taxi zum Hafen, durch das ganze Prozedere am Checkpoint wieder zum Boot. Hicham, der Marinero, der uns zwischendurch ein paar Mal anrief, um zu sagen, dass alles o.k. ist mit unserem Boot, lud uns für den nächsten Abend zum Couscous ein. Wir fühlten uns irgendwie fix und fertig, obwohl die Reise nicht unbedingt körperlich anstrengend war, aber die vielen großartigen Eindrücke mussten wohl noch verarbeitet werden.
Am nächsten Tag ließen wir es ruhig angehen, schauten uns Mohammedia an, das man nicht unbedingt gesehen haben muss. Abends hatten wir noch ein unangenehmes Erlebnis mit einem Hafenarbeiter, der uns auf dem Weg zum Essen sehr freundlich ansprach und uns anbot, uns zu einem guten Restaurant zu führen. Das Lokal entpuppte sich als High-end-Etablissement, an dessen Eingang man uns unverhohlen musterte, weil wir wohl nicht entsprechend gekleidet waren. Für diesen Dienst erwartete unser Begleiter nun sehr vehement eine Vergütung, die wir als eher unverschämt empfanden … auch das ist Marokko! Man will als Europäer nicht unfreundlich sein und tappt immer wieder in die Falle. Der Abend endete in einem selbst gewählten, eher miesen Fischrestaurant und ein paar präventiven Schnäpsen.
Am nächsten Morgen waren Edith und Rainer startklar für den Heimflug von Rabat nach Deutschland und fuhren nach dem allmählich gewohnten Checkpoint-Prozedere am Hafenausgang mit Hicham nach Rabat. Die Preisverhandlungen für solche Dienstleistungen gestalteten sich immer etwas schwierig … die Aussagen variierten von „Ich mache das aus Gefälligkeit für einen guten Eindruck von Marokko.“ oder „Ich hätte gerne eine Flasche Hochprozentiges.“ bis hin zu „Ich hätte gerne 100€.“ Was soll man davon halten? Begleitet wurden die Verhandlungen von wirren Geschichten über Ausreisepläne nach Deutschland und Familienfotos. Na ja, unsere Freunde kamen wohlbehalten in Rabat an und wir bereiteten uns auf die Abreise am nächsten Tag vor … Boot abspülen und seefest machen … Einkaufen … Vorkochen … Route planen … Wetterbericht checken …
Hicham rückte noch mit einem Kompressor und Taucheranzug an, um unser Unterwasserschiff zu reinigen. Die Preisverhandlungen liefen wieder mal wie oben beschrieben und endeten mit 150 €.
Am nächsten Vormittag sollte es losgehen in Richtung Porto Santo, es wurde ausklariert, der Hafen wurde bezahlt mit unglaublichen 60 € pro Tag, dem höchsten Preis für den miesesten Service auf unser bisherigen Reise. Die Hafengebühr wurde natürlich bar bezahlt, ohne jeglichen Nachweis, außer einem Fresszettel mit schwer nachvollziehbaren Zahlen drauf, die sich nach zwei Telefonaten immerhin nach unten bewegten … die blanke Willkür. Wir bekamen unsere Pässe zurück, ein hochoffizielles Komitee überprüfte die Unversehrtheit der Verplombung des Drohnenkoffers und dann nichts wie weg auf unsere bisher längste Überfahrt zu zweit.
Die erste Nacht noch in Küstennähe war eher anstrengend, weil es um Mitternacht ein paar unidentifizierbare Lichter gab, wahrscheinlich Fischerboote ohne AIS, um die wir lieber mal drumherum manövrierten und ein paar Haken schlugen. In den Morgenstunden gab es Gewitterzellen, die wir in ihrer Heftigkeit so noch nicht erlebt hatten, Blitze und direkt darauffolgend unglaublich laute Donner, die durch Mark und Bein gingen. Wieder mal waren wir froh, ein leistungsstarkes Radar zu haben, auf dem wir die Gewitterzellen sehen konnten und bedingt ausweichen, aber irgendwann waren wir umzingelt und mussten nur noch durch.
Der Rest der Überfahrt war geprägt von konstantem Wind um die 20 Knoten und einer steilen chaotischen Welle, dem unser Akkustaubsauger zum Opfer fiel, aber wir machten gute Fahrt mit 6-7 Knoten und kaum Schiffsverkehr. Unser Wachrhythmus pendelte sich so ein, dass Jutta die erste Nachtschicht bis 0.00 Uhr oder 1.00 Uhr übernahm, dann Thomas bis ca. 6.00 Uhr. Immer noch ist es unheimlich, bei 7 Knoten Geschwindigkeit durch die absolute Dunkelheit zu rauschen, hin und wieder einen Blick in die Runde zu werfen, der aber auch nur ins Schwarze geht und sich komplett auf Radar und AIS zu verlassen. Das ist noch nicht wirklich entspannt.
Nach 3 Nächten und am 4. Tag nachmittags war „Land in Sicht“. Wir schafften es noch bei Tageslicht in den Hafen, der sehr klein ist und nur eine Handvoll Liegeplätze für Schiffe unserer Größe hat. Wir hissten die portugiesische Gastland- und die Quarantäneflagge, weil wir ja wieder in Europa einreisten, machten an einer Boje fest, freuten uns auf eine ruhige Nacht ohne Bullenreiten, tranken einen Bojenschnaps und hauten uns in die Koje. Die bisher längste Überfahrt war geschafft und lief eigentlich ganz gut.
Am nächsten Morgen bliesen wir das Dinghi auf, ohne das wir nicht an Land kommen würden, bauten den Außenborder an, der erst nach ein paar Überredungsversuchen starten wollte, und fuhren zum Anmelden und Frühstücken an Land. Die Einreiseformalitäten in Portugal waren, im Vergleich zu Marokko, total unspektakulär. Ruck-zuck waren wir wieder in Europa.
Im Hafenbüro trafen wir auf einen Deutschen, der sich gerade abmeldete und einen der begehrten Hafenplätze verließ. Wir spurteten zurück zum Dinghi, nix mit Frühstück, fuhren zurück zum Boot und machten uns bereit, den Liegeplatz zu übernehmen, bevor ein anderer schneller sein würde. Thomas parkte tip-top ein in die kleine Lücke und mit viel Glück hatten wir unseren Platz. Frühstück gab es dann endlich um 14.00 Uhr mit Hähnchen und Bier.
An selben Tag gab es noch eine Besonderheit im Hafen. Die Fischerboote wurden von einer Gruppe Geistlicher mit Flagge und Weihwasser gesegnet. Da wir auf der anderen Seite der Pier mit den Fischerbooten lagen, hatten wir also einen Platz in der ersten Reihe. Das Ganze zog sich über den ganzen Tag, immer mehr Fischer trudelten ein, feierten schonmal mit reichlich Bier und irgendwann am Abend kam dann die Segnung, die in ein paar Minuten erledigt war.
Porto Santo ist eine kleine Insel mit kargen Hügeln, einem 9 km langen Bilderbuch-sandstrand, sehr klarem Wasser und sehr entspannten Bewohnern. Wir fühlten uns spontan wohl … der perfekte Ort, um eine Zeit lang auszuruhen. Nachdem die Nachwirkungen der Überfahrt (Schwindel und Übelkeit an Land) abgeklungen waren, unternahmen wir eine Wanderung um die Ostspitze der Insel mit tollen Ausblicken und sehr wenig Menschen.
Ein paar Tage später mieteten wir uns für 24 Stunden einen Roller, um noch mehr von der Insel zu sehen. Wir fuhren die zahlreichen Miradouros (Aussichtspunkte) ab und staunten über immer wieder neue Ausblicke. Es kamen etwa 45 gefahrene Kilometer zusammen über geteerte Straßen und Schotterpisten und wir gewannen immer mehr Sicherheit auf dem doch ungewohnten Gefährt.
Wir knüpften ein paar sehr nette Kontakte im Hafen mit Bekannten von Bekannten. Das läuft so: Leute, mit denen man schon mal Zeit in Häfen verbracht hat, melden sich und schreiben „Wir haben gesehen, Ihr seid in Porto Santo! Da ist auch das Boot xy mit Hans und Franz, die wir in Irgendwo getroffen haben. Die sind total nett ... geht doch mal vorbei und sagt schöne Grüße von uns.“ Schon kennt man neue Leute, redet über Erfahrungen und Pläne und verbringt ein paar nette Abende zusammen.
Auf Porto Santo ist es Tradition, dass man sich an der Hafenmole mit dem Logo des Bootes verewigt. Jeder gibt sein Bestes und will es mindestens so gut machen, wie die anderen. Man kann an der Mauer entlang spazieren und nach Logos von Booten suchen, die man kennt.
In den letzten Tagen gab es Regen und Sturm bis 40 Knoten um Porto Santo rum. Ein paar Boote aus dem Hafenbecken suchten Schutz an den Stegen und wir bekamen ein französisches Boot ins Päckchen (an unserem Boot festgemacht). Jeder Bootseigner lief ein bisschen nervös auf dem Steg rum, verstärkte die Festmacherleinen, baute noch ein paar Ruckdämpfer an und guckte nochmal nach den Booten, deren Eigner nicht da waren … die Fischerboote gingen an den Anker im Hafenbecken … also die Ruhe vor dem Sturm!
Dann gings los, der Sturm heulte und pfiff um die Masten rum und ließ die Boote im Hafenbecken wild tanzen, da konnte einem schon vom Zugucken schlecht werden. In dem Betonsteg, an dem wir festgemacht waren, waren außenseitig Röhren einbetoniert, in die das Wasser einschoß und mit ein paar Planen, die auf dem Steg lagen und ins Flattern kamen, hörte sich das Ganze an wie ein wilder Drache, der draußen stand, tobte und Feuer spuckte. Wir nutzten die Zeit für ein Nähprojekt, Aussenverschattung fürs Deckshaus, Bankgeschäfte … die Steuer … Jetzt ist der Spuk vorbei und ein paar Boote machen sich auf den Weg nach Süden. Hier hat der Sturm in der Hafeneinfahrt von Funchal, auf Madeira, ein kleine Insel aufgeschüttet und damit die Hafeneinfahrt für mindestens 10 Tage blockiert. Das wird ein paar Pläne über den Haufen werfen.
Wir bereiten uns auf unsere nächsten Besucher vor, die in ein paar Tagen mit der Fähre aus Madeira eintreffen werden. Ingrid und Alfred segeln mit uns, nach ein paar Tagen Porto Santo, nach Madeira rüber und verbringen noch ein paar Tage auf Madeira mit uns … wenn alles nach Plan läuft.
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Ellen (Sonntag, 02 Juli 2023 09:22)
Traumhafte Bilder und Eindrücke, sowohl von Porto Santo als auch von der Wüste. Ich freu mich schon auf den nächsten Eintrag.