Nachdem wir freitags erst im Dunkeln in San Sebastian auf La Gomera ankamen, beschäftigten wir uns am Wochenende erstmal mit längst überfälligen Dingen. Samstag stand ein Großputz innen und außen auf dem Programm. Thomas ging mit einem Wasserschlauch rauf in den Mast und wusch den Wüstensand der Kanaren und Meersalz ab. Der braune Sand, der durch ein Phänomen, der Calima, aus der Sahara, die nur 300 km östlich liegt, herübergetragen wird, setzt sich auf alle Flächen, Leinen und Wanten und sieht nur unschön aus, sondern macht auf Dauer auch Stahlseile durch Reibung kaputt.
Sonntag war Wasch- und Bürotag. Es gibt immer noch erstaunlich viel Papierkram aus Deutschland zu erledigen.
Ab Montag hatten wir für 2 Tage ein Auto gemietet, einen kleinen KIA Picanto, mit dem wir uns zunächst mal in den Norden der Insel aufmachten, wo es grüne und fruchtbare Täler gibt. Es begann damit, dass eine Bergstraße nur einseitig befahrbar war, weil einiges an Geröll abgegangen war. Der freundliche Streckenposten erklärte uns, wir sollten besser mal immer einen Blick nach oben werfen und schauen, ob Felsen von oben kommen … super … ein gutes Gefühl!
Der Norden ist geprägt durch sehr viel Grün, Bananenplantagen und Gemüseanbau. Wir schauten uns eine alte Verladestation für Bananen an der Küste an, statteten der kleinsten Gemeinde von La Gomera, Agulo, einen Besuch ab und wanderten zum Mirador de Abrante. Dies ist eine der spektakulärsten Sehenswürdigkeiten der Insel, ein Aussichtspunkt mit verglasten Wänden und Boden über einem 400 m tiefen Abgrund. Leider war die Plattform geschlossen, was der nicht schwindelfreie Thomas jetzt nicht soooo schlimm fand.
Später fuhren wir noch beim Visitorcenter des Nationalparks Garajonay vorbei, wo es einen sehr schönen Garten mit heimischer Flora gab und gingen essen bei Dona Efigenia, einer Institution auf La Gomera, wo es typisch gomerianisches Essen gibt. Da das Wetter und die Sicht an diesem Tag nicht wirklich gut waren, fuhren wir weiter nach Valle Gran Rey, der ehemaligen Hippie-Hochburg. Hier „spricht man deutsch“ … wir haben nirgends so viele deutsche Touristen an einem Ort erlebt. Schon eine seltsame Atmosphäre mit ein paar Anklängen an die Hippiezeit, wie einem Typ in Lendenschurz mit Bart und Dreadlocks, der an den Bohnen knabberte, die überall in Schoten an den Bäumen hängen. Der Rückweg dauerte länger als gedacht, weil eine Madonnenstatue in einer Prozession eine längere Strecke über eine Hauptstraße getragen wurde.
Wir fuhren also im Dunkeln mit diesem kleinen Hüpferauto mit miesen Scheinwerfern über unbeleuchtete Bergstraßen zurück, wo schonmal ein Schaf an der Leitplanke steht oder ein Felsbrocken auf der Mittellinie liegt … wie war das noch? … immer ein Blick nach oben? Wir schworen uns, am nächsten Tag auf jeden Fall bei Tageslicht zurückzufahren.
Dienstag war das Wetter stürmisch, regnerisch und neblig, also leider wieder kein Wetter für eine Wanderung durch den berühmten „Märchenwald“, dem von Flechten bewachsenen Bäumen. Nach einer kleinen Wanderung beschlossen wir, die Wanderschuhe bleiben im Kofferraum und wir fuhren wieder runter an die Küste, wo uns schönstes Wetter erwartete. Wir hofften auf bessere Bedingungen am Nachmittag, leider vergebens.
Auf dem Rückweg hielten wir kurz an einem Aussichtspunkt, wo der Wind so stark war, dass er Thomas die Fahrertür aus der Hand riss und das Scharnier schrottete. Da sich die Tür nicht mehr schließen ließ und wir noch ein ganzes Stück zu fahren hatten, mussten wir uns etwas einfallen lassen. Wir schnitten den Gurt einer Tasche ab, die wir dabeihatten und klemmten ihn mit dem Fensterheber zwischen Rahmen und Seitenfenster von vorderer und hinterer Tür … funktionierte super. Nur gut, dass wir den Mietvertrag für das Autochen mit Vollkasko abgeschlossen hatten.
Die letzten Tage auf La Gomera vergingen wie im Flug mit Friseurterminen, Einkaufen und Vorkochen, Nähprojekten, Listen für Sicherheitsequipment für die Überfahrt zu den Kapverden, Sicherheitstests der Epirb (Boje für den Notfall, die unserer Position automatisch an die Seenotleitstelle in Bremen funkt) und der “Mann über Bord“ Sender, die in den Rettungswesten stecken und die Position ans Boot funkt. All diese Dinge sollte man regelmäßig überprüfen und sicherstellen, dass sie funktionieren.
Am Abend vor der Abreise, wir dachten, jetzt ist alles bereit, hatten wir noch Wasser in der Bilge (tiefste Bereiche im Schiffsrumpf) und machten uns auf die Suche nach der Ursache. Das bedeutet, Bodenbretter raus und auf Knien mit der Taschenlampe durchs Schiff kriechen … manchmal fragt man sich schon, ob man nicht besser zu Hause geblieben wäre, aber die Ursache war schnell gefunden und nicht so schlimm. Nachdem das Wasser mit der Bohrmaschinenpumpe rausgepumpt war, stellten wir einen Ventilator auf, hofften, dass wir nachts nicht in die tiefen Löcher im Boden fallen würden und morgens war alles wieder im grünen Bereich.
Am Sonntag den 12. November ging es dann los, zuerst zur Tankstelle im Hafen und dann auf die 810 Seemeilen (etwa 1500 km) lange Etappe auf die Kapverden. Kaum aus dem Hafen raus, erreicht uns ein Hilferuf über Funk. Bei einer britischen Yacht, die vor uns den Hafen verlassen hatte, war der Motor ausgefallen und sie wollten in den Hafen geschleppt werden. Nach langem Palaver mit dem Hafenbüro, die keine Möglichkeit sah, das Boot in den Hafen zu schleppen, machten wir eine Schleppleine fertig und versuchten, diese an die britische Crew zu übergeben … gar nicht so einfach, wie sich herausstellte. Es klappte schließlich in der dritten Runde und wir hatten angefangen zu schleppen, als ein Motorboot der Marina kam und den Abschleppdienst übernehmen wollt … hätten sie ja mal gleich sagen können.
Nun ging es also endlich los mit Wind direkt von hinten und einem irren Geschaukel. Nach ein paar Stunden sahen wir auf dem AIS (Sende und Empfangssystem, das Schiffe in der Nähe auf dem Plotter abbildet) einen bekannten Katamaran auf einem ähnlichen Kurs. Wir fragten mal an „Hallo, seid Ihr das?“ und siehe da, es war die Aquarius auf dem Weg zu den Kapverden, allerding zur Insel Sal, die etwas östlicher liegt als unser Ziel Sao Vicente … „Gute Reise und sagt Bescheid, wenn Ihr angekommen seid.“
In den nächsten Tagen und Nächten gab es wenig Schiffsverkehr um uns rum. In der ersten Nacht sahen wir auf Marine Traffic, wie die Transat Jacques Vabre (Regatta von Le Havre nach Martinique), Teilnehmer u. A. Boris Herrmann, an uns vorbei zischte, leider zu weit weg, um sie sehen zu können.
In der zweiten Nacht segelte ein Imoca (Rennsemmel) mit 1 Seemeile Entfernung und 20 kn speed (wir 5 kn) vor uns durch, das war wirklich spannend, denn man konnte ihn trotz Neumond ganz gut sehen. Dann gab`s noch ein paar Frachtschiffe und ein Segler, der der Ansicht war, dass er uns auf AIS und Radar nicht gut sehen kann und bei uns müsse irgendwas defekt sein, aber das Problem lag wohl eher bei ihm. Trotzdem ist man in einer solchen Situation verunsichert.
Die ersten Tage der Überfahrt waren sehr anstrengend, weil Jobber durch die Windrichtung von hinten im Schmetterlingsmodus (Großsegel auf der einen Seite, Vorsegel auf der anderen Seite) um die Längsachse stark schaukelte (hier klicken), was heißt, dass man sich permanent festhalten muss und alles, was nicht angebunden ist, fliegt einem um die Ohren. Schlafen ist auch eher schwierig, weil man im Bett hin und hergeworfen wird und der Inhalt der Schränke und Kisten einen ziemlichen Lärm machen.
Am dritten Tag der Überfahrt gab es einen kurzen Panikmoment. Wir hatten einen großen Bottich mit Wasser im Cockpit ausgeschüttet (hier gibt es zwei große Entwässerungsöffnungen) und wenig später sehe ich gerade noch, wie eine 6 cm lange Kakerlake zwischen zwei Brettchen der Sitzfläche in Cockpit verschwindet. Blitzartig hoben wir die Sitzfläche an, schnappten eine kleine Plastiktüte und Thomas stülpte sie über das Tier. Das Vorgehen hatten wir uns in Marokko abgeguckt. Sie versuchte noch zu entfliehen, aber Thomas packte sie am Fühler und warf sie über Bord. Puh, das war knapp! Unsere Theorie: das Vieh muss irgendwo an Bord gekommen sein, wahrscheinlich über Festmacherleinen, und hat sich im Abfluss versteckt. Durch die Menge Wasser musste sie flüchten … wir hoffen nur, dass sie allein war und keine Eier gelegt hat. Wir stellten noch ein paar zusätzliche Fallen auf, spritzten Gift in den Abfluss und mussten unsere Nerven mit einem kleinen Schnaps beruhigen, weil es dunkel wurde und wir es überall krabbeln sahen.
Nach ein paar Tagen hatten wir uns aber irgendwie „eingeruckelt“, der Wachrhythmus funktionierte gut und das flaue Gefühl im Magen wurde auch besser. Thomas guckte sich in seiner Nachtschicht ausgiebig den Sternenhimmel an, der wirklich sehr beeindruckend war, wir feierten seinen Geburtstag auf See mit einem tollen Sonnenaufgang (hier klicken) und bis auf ein paar Blessuren am Parasailor und einer Segellatte gab es keine Ausfälle.
Leider fiel auf halber Strecke unser Generator aus und Thomas Mc Guyver Reparatur mit dem Lötkolben brachte auch keinen Erfolg. Dies brachte uns zu der Erkenntnis, dass wir solartechnisch wohl aufrüsten müssen, also ein weiterer Punkt auf der nie enden wollenden To-Do-Liste.
Auf der letzten Etappe, der letzten Nacht, mit sehr wenig Wind musste sowieso unser Volvo-Motor ran und füllte die Batterien wieder auf. Wir nutzen die Gelegenheit und füllten auch die Wassertanks mit dem Wassermacher (Entsalzungsanlage), da die Wasserqualität auf den Kapverden nicht so gut sein sollte.
Nach 7 Tagen und 7 Nächten kam dann schließlich „Land in Sicht!“ Santo Antao, ein tolles Gefühl!
Mit einer plötzlichen Düse von 33 kn Wind rauschten wir der Einfahrt zur Bucht von Mindelo entgegen und waren sehr froh, hier nicht im Dunkeln unterwegs sein zu müssen (hier klicken). Die Marina Mindelo war nicht überfüllt, da die ARC (Atlantic Rallye for Cruisers), mit der wir ja eigentlich auch unterwegs sein wollten, den Hafen verlassen hatte. Das Anlegen mit 2 Bugbojen war ein bisschen spannend, klappte aber gut und wir waren in Afrika angekommen für etwa 2 Wochen.
Nach dieser, für uns bisher längsten Überfahrt, haben wir beide das Vertrauen gewonnen, die nächste Etappe, die etwa 2,5mal so lang sein wird, meistern zu können.
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