TIA - this is Africa – Kapverdische Inseln

 

Kaum festgemacht in der Marina Mindelo, lief uns Holger (alleinsegelnder Nachbar in Madeira für 4 Wochen) über den Steg und wir tranken zusammen ein Bier und tauschten Geschichten von der Überfahrt aus. Holger war schon 7 Wochen in Mindelo und hatte wertvolle, lokale Tipps für uns. Wenig später kam ein Boot aus der Schweiz an und machte neben uns fest. „Wo kommt Ihr her? Wie war die Überfahrt? Wie lange habt Ihr gebraucht? Trinkt Ihr ein Glas Wein mit? Klar … gerne!“

 

Nach der Anmeldung in der Marina und weiteren Treffen von Bekannten, machten wir uns auf in die Stadt, um ein paar erste Eindrücke zu gewinnen. Die Währung der Kapverden ist der Escudo und es kann fast überall, auch im Supermarkt, nur bar bezahlt werden, also erstmal zum Bankautomaten… der zweite funktionierte glücklicherweise. Im Café Mindelo fragten wir am Nachbartisch nach einer lokalen SIM-Karte und kamen mit einem Einheimischen und einem Amerikaner ins Gespräch über Gott und die Welt. Wir erzählten von unserem defekten Generator und sie kannten einen Mechaniker, Eber, vielleicht 30 Jahre alt, der wenig später auch dazu kam und wir vereinbarten einen Termin für den nächsten Tag. Wir müssen zugeben, dass wir sehr skeptisch waren … kommt der überhaupt? Weiß der, was er tut? Eber kam, sah und siegte … innerhalb von einer halben Stunde hatte er den Fehler gefunden, wir kauften ein Relais für 3 € und unser Generator lief wieder. Eber wollte absolut kein Geld für den Job und manchmal ist unsere typisch deutsche Skepsis einfach unangebracht. Wir empfahlen Eber noch an ein paar andere Segler mit technischen Problemen und er bekam ein paar Reparaturen hin, mit denen keiner rechnete.

 

Generell herrschte in dieser Marina eine familiäre Atmosphäre, die wir so noch nicht erlebt hatten bisher. Es war ein ständiges Kommen und Gehen von Booten, jeder kommunizierte mit jedem in allen möglichen Sprachen und wenn jemand Hilfe brauchte, war immer jemand da, der einen guten Tipp hatte oder mit anpackte.

 

 

 

Sonntags hatten die Behörden geschlossen, also machte wir uns montags auf den Weg zur Police und Immigration (hier klicken um zu sehen, was unterwegs los war) , um uns und unser Boot in Afrika anzumelden. Die „Polizeidienststelle“ bestand aus einem Tisch in einem Flur und zwei Stühlen, sie behielten unsere Schiffspapiere und die ganze Sache war in ein paar Minuten erledigt. Immigration war nicht ganz so easy. Zu den angegebenen Öffnungszeiten war das Büro zu, es stand eine Gruppe von Leuten vor der Tür (u. A. zufällig ein TO-Vereinsmitglied, dem wir ein paar Wochen zuvor unser altes Dinghi auf den Kanaren verkauft hatten), die alle mit den Schultern zuckten und da auch nach einer Stunde niemand auftauchte, war das wohl ein typischer Fall von MANANA. Abends waren wir mit Holger seeehr schick essen, denn er wollte am nächsten Morgen los Richtung Karibik und so konnten wir Wiedersehen und Abschied gleichzeitig feiern. So haben wir das unzählige Male erlebt, man trifft interessante Menschen und muss sich aber, kaum dass man sich angefreundet hat, auch wieder verabschieden. So auch am nächsten Morgen, an dem wir Holger eine gute Reise wünschten „Wir sehen uns in der Karibik!“

 

 

 

Dann war da noch unser kaputter Parasailor (Vorwindsegel mit Flügelprofil). Wir nahmen Kontakt auf zum lokalen Segelmacher, El Capitano, schickten ihm ein Foto von der Beschädigung, 3 Löcher, die blöderweise im Bereich des Flügels lagen. Nach Rücksprache mit dem Capitano, der seine Stirn in tiefe Falten legte und den Auftrag nicht übernehmen wollte „too complicated“, blieb die Reparatur wohl an uns hängen. Na gut, er lieferte uns ein Stück Spinnakertuch von einem alten Segel und wünschte uns „good luck!“

 

 

Mittwochs planten wir eine Inseltour zu sechst mit einem Guide, unsere Schweizer Nachbarn Hermann und Carolyn, Kai und Franziska und wir. Nach ein paar Verhandlungen über den Preis und die Strecke, fuhren wir in einem ziemlich klapprigen Kleinbus mit Fahrer Olivier und Guide Franklyn zunächst einmal zu einem Vulkan, auf den wir „mal eben“ raufkraxelten. Es gab noch ein paar weitere Programmpunkte, wie eine Station für verletzte Schildkröten, einen weiteren Vulkan, ein paar traumhafte Sandstrände und den höchsten Berg von Sao Vicente mit einem atemberaubenden Rundum-Blick. Am Ende zeigte uns Franklyn noch das Viertel in Mindelo, in dem er mit Vater und Großeltern aufgewachsen ist. Wir waren zunächst skeptisch, ob es angebracht sein würde, als europäische Touristen mit Kameras durch dieses unglaublich arme Viertel zu laufen, aber die Bewohner waren so freundlich und Franklyn übersetzte vom Kreolischen ins Englische. Wir lernten den Künstler der meisten Wandgemälde im Viertel kennen und es war für uns ein wirklich wertvoller Einblick, den wir ohne unseren Guide nicht gewonnen hätten.

 

 

 

Am nächsten Tag ging es weiter mit der To-Do-Liste. Die Segelreparatur scheiterte daran, dass El Capitano unser Segeltuch für die Reparatur vergessen hatte … also wiedermal MANANA.

 

 

Wir machten einige neue Bekanntschaften und sahen uns, dank Starlink, ein Webinar zum Thema Solarenergie auf Segelbooten an. Wir hatten auf der Überfahrt zu den Kapverden festgestellt, dass wir zu wenig Solarpaneele an Bord haben, um unseren Energiebedarf zu decken. Es gab einen Plan, wo weitere Paneele untergebracht werden könnten, aber der deutsche Hersteller wollte knapp 600 € für den Transport nach Martinique … das ist keine Option. Jetzt bleibt zu klären, ob Johanna, unsere Tochter das „Päckchen“ als Zusatzgepäck mitbringen kann und inwieweit diese Variante bezahlbar ist.

 

 

Freitag machten wir uns endlich an die Reparatur des Parasailors, warteten vergeblich auf Eber, den genialen Mechaniker, weil unser Generator schon wieder ein anderes Problem hatte. Den Frust verarbeiteten wir zu sechst in der Floating Bar bei Livemusik und Bier.

 

 

 

Samstag buchten wir die Fähre für den nächsten Tag zur Nachbarinsel Santo Antao. Wir hatten in einem kleinen unscheinbaren Geschäft Weinschläuche entdeckt, die für uns an Bord sehr viel praktischer sind als Glasflaschen. Der Einkauf dieser einen Sache, die in Deutschland in ein paar Minuten erledigt wäre, dauerte hier mindestens 20 Minuten. Man ist allein im Laden, aber es kommt keiner, irgendwann taucht der Besitzer auf, man sagt, was man möchte und er ruft seine Tochter. Die Tochter sucht den Schlüssel, geht, kommt wieder, der Schlüssel passt nicht. Der Vater kommt, beide verschwinden, man wartet, man wartet, man wartet. Dann kommt der Besitzer mit dem Karton, der Karton wird geputzt, die Kasse wird geöffnet (nachdem man nach dem Schlüssel gesucht hat) und man stellt fest, dass man kein Wechselgeld hat (Kartenzahlung geht sowieso nicht) … irgendwann ist der Kauf abgeschlossen und man wird freundlich verabschiedet … puh, besser man kauft sich so ein Armband, dass hier an jeder Ecke verkauft wird mit der Aufschrift „NO STRESS“.

 

 

Abends kam Eber, schraubte 2 Stunden an unserem Generator und nahm letztendlich ein paar Platinen und elektronische Teile mit, um sie an seinen Computer anzuschließen und zu analysieren. Wir gaben ihm noch den defekten Kurscomputer mit, den wir in Portugal getauscht hatten, in der Hoffnung, dass er das Teil vielleicht auch reparieren kann.

 

 

 

Am Sonntagmorgen um 7.00 Uhr kamen ein paar Stegnachbarn zusammen, um uns zu helfen, den reparierten Parasailor geordnet wieder einzupacken, so dass er sich bei der nächsten Benutzung sauber öffnet. Eigentlich wollten wir uns noch von Kai verabschieden, der an dem Morgen ganz allein in Richtung Karibik aufbrechen wollte in einem Schiff, das halb so groß ist wie Jobber … wirklich bewundernswert und ganz schön mutig! Wir mussten los und konnten uns nur über WhatsApp verabschieden und alles Gute wünschen.

 

Anschließend ging`s mit Wanderschuhen und Rucksack zur Fähre nach Santo Antao (1 Stunde Fahrt). In der Bucht von Porto Novo lag die Jangada vor Anker, ein Schiff, das wir schon ein paarmal getroffen hatten auf den Kanaren. Wir bekamen das letzte Mietauto, das noch zu haben war, einen Dacia Duster, kauften noch ein paar Sachen im Mini-supermarkt und starteten über die Bergstrecke in den Norden der Insel. Sämtliche Straßen auf Santo Antao sind nicht asphaltiert, sondern gepflastert mit unregelmäßigen Natursteinen … die Vorstellung, was das für eine Arbeit gewesen sein muss, ist für uns nicht vorstellbar. Die Landschaften sind atemberaubend, aber leider wird es, je höher wir ins Gebirge kommen, immer nebliger und regnerischer … außerdem war Sonntag und alles tot, denn die Mehrheit der Bewohner ist katholisch. Wir machten endlose Fotos, weil jeder Ausblick toller war, als der vorherige.

 

 

 

In Ribeira Grande kamen wir wieder zur Küste, nahmen eine deutsche Anhalterin mit, die uns ein paar Tipps gab, trafen tatsächlich zufällig noch Ralf und Tassia von der Jangada und checkten in unserer Unterkunft für die nächsten 2 Nächte (ohne Geschaukel) ein, eine Art kleines Hotel mit Familienanschluss, in dem man morgens in den Privaträumen der Familie, die das Hotel betreibt, frühstückt … sehr nett.

 

 

Montag hatten wir uns eine Wanderung an der Küste entlang vorgenommen … oder wenigstens einen Teil davon, denn die gesamte Strecke belief sich auf etwa 20 km … nix für unsere Seebeine. Landschaftlich toppt diese Insel alles, was wir bisher gesehen hatten. Wir kamen in eine Ortschaft, Fontainhas, ein paar Häuser mitten im Nirgendwo, auf einer Felsnase, unglaublich… wir in dicken Wanderschuhen … die Einheimischen barfuß, irgendwie peinlich!

 

 

 

Wir drehen um, klettern über große Felsbrocken, die ein Bagger auf den Wanderweg gebaggert hatte und wenig später verheddern sich die Schnürsenkel von Juttas Wanderschuhen miteinander und es geht bergab … Ergebnis: ein aufgeschürftes Knie, einige Macken an den Händen, eine Rippenprellung und eine dicke Schwellung und blaues Auge. Wir liefen zum Auto, fuhren in die nächste Apotheke, besorgten Desinfektionsmittel , Heilsalbe und sterile Kompressen und versuchten auf der Terrasse  die Wunden zu säubern. Ein sehr netter Mann, der zufällig dort saß, spurtete direkt los, besorgte Wasser, sauberes Papier, Eis für mein Auge und fing an, mich zu verarzten … supernett.

 

 

Als Jutta halbwegs wieder hergestellt war, schauten wir uns noch den kleinen Fischerhafen von Ponta do Sol an und fuhren in das sehr fruchtbare Paul-Tal. Wir nahmen zwei Anhalter mit, wovon einer uns erhalten blieb und sich mit sehr gebrochenem Englisch als Reiseführer betätigte. Wir landeten über eine etwas abenteuerliche Straße in einer Destillerie für landestypischen Zuckerrohrschnaps (Grogue) und bekamen eine kleine Privatführung durch die Brennerei plus eine Plastikflasche Grogue.

 

 

 

Abends hatten wir einen Tisch reserviert in der Casa Maracuja, hier gab es leckeres Essen und Livemusik (hier klicken).

 

Dienstag, am letzten Tag unseres kleinen Ausfluges nach Santo Antao, fuhren wir nach einem tollen Frühstück mit süßem Couscous, (der Kommentar unseres Vermieters zu Juttas blauem Auge „oh, Thomas, I know, you are a peaceful man!“) noch einmal ins wunderschöne Paul-Tal zu einer kleinen Wanderung.

 

 

 

Der Rückweg nach Porto Novo zur Fähre hatte diesmal tolle Ausblicke, da das Wetter und damit die Sicht deutlich besser war als auf dem Hinweg. Wir gaben das Mietauto ab und fuhren mit der Fähre wieder „nach Hause“ in die Marina Mindelo.

 

Nun begann der Countdown bis zum Start nach Barbados in zwei Tagen, d. h. unsere Starlinkantenne schonmal ummelden auf den neuen Kontinent, das Satellitentelefon aktivieren für den Notfall, frische Sachen einkaufen, Vorkochen, Wäsche waschen, unser altes Fahrrad verschenken … und besonders nervenaufreibend: Warten auf Eber, unseren Mechaniker für die Reparatur des Generators, der ja ein paar Teile des Generators mitgenommen hatte. Wir fragten mehrfach nach, bekamen aber keine Antwort … ein echtes Geduldsspiel!

 

 

 

Wir sind schon ein bisschen angespannt vor dem großen Sprung und fragen uns, wann wir endlich los können ... Freitag? Samstag? Uns sitzt die Zeit im Nacken, weil Johanna, unsere Tochter, am 19.12. in Barbados sein wird ... wir hoffentlich auch!

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Bernd Reinitz SY Trulla (Montag, 18 Dezember 2023)

    Moin, ich habe wieder einmal in euren Bericht geschaut, wunderbar zu lesen, man ist bei deinen Schilderungen wirklich mit dabei, am Standort kann ich sehen das ihr gut in der Karibik angekommen seid.
    Ich wünsche euch weiterhin eine gute, sichere Reise!

    Bernd