Unser Plan war es am 1.12. 2023 in Mindelo zu starten mit dem Ziel Barbados. Wir hatten eingekauft, vorgekocht, unsere letzten Escudos ausgegeben, alles vorbereitet und waren ein bisschen aufgeregt. Um uns herum starteten jeden Tag Boote Richtung Karibik, wurden mit lautem Getröte und guten Wünschen verabschiedet. Der Hafen wurde zusehends leerer und die ersten kamen schon wieder zurück, weil sie Probleme mit Batterien, kaputten Segeln oder was auch immer hatten. Wir warteten immer noch auf unseren Mechaniker Eber, denn ohne funktionierenden Generator konnten wir nicht los. Eber wollte vielleicht Donnerstagabend kommen, wenn nicht, dann am Freitag morgens ... alles klar! Er kam weder-noch, was für unsere deutsche Mentalität schon schwierig war. Wir fragten mehrfach höflich nach, ohne Antwort. Wir verlängerten den Hafenplatz um einen Tag und warteten auf dem Boot, damit wir auch da waren, wenn er denn kommt.
Jutta fiel das Deck auf den Kopf und sie lief am Freitagabend Richtung der lauten Musik, die von Land aus zu hören war. Im nahegelegenen Hotel gab es eine Veranstaltung der hiesigen Sambaschule, wie sich herausstellte, der Auftakt des Karnevals. Jutta mischte sich unauffällig unter die Besucher und fühlte sich spontan nach Rio de Janeiro versetzt (für Video hier klicken).
Weil das Wetterfenster gut war, fuhren unsere Schweizer Nachbarn am Samstag los, die wir mit Trara verabschiedeten und jeder fragte: Wann wollt Ihr los? Jaaaa, wir wären eigentlich schon längst weg! Am Samstag gegen Nachmittag kam Eber dann doch mit einer gebastelten Schaltung, dem reparierten Kurscomputer (Teil des Autopiloten, der in Portugal den Dienst quittiert hatte), verbrachte fast 2 Stunden bei uns, bis der Generator tatsächlich wieder lief und wollte, trotz gutem Zureden, erneut kein Geld von uns haben. Es sei ja nur eine provisorische Reparatur, dafür könne er kein Geld nehmen und der Kurscomputer war ja ganz schnell repariert … o.k.
Nun konnte es also endlich losgehen! Wir tranken noch ein paar Abschiedsbiere in der Floating Bar mit 2 Crews, die auch in den nächsten Tagen los wollten.
Am Sonntag 3.12. lösten wir also endlich die Leinen und fuhren mit lautem Getröte und Nachbarn auf dem Steg aus dem Hafen, ein wirklicher Gänsehautmoment. Thomas warf den Wassermacher an, der nach einigen Fehlversuchen endlich lief (wir dachten schon fast, wir müssten umdrehen, denn ohne Wassermacher geht es auch nicht).
Jetzt gings also wahrhaftig los! Unsere Nerven lagen blank und wir fragten uns noch kurz: Wollen wir das wirklich? Oh mein Gott! Was kommt da auf uns zu? Können wir das?
Wir baten Neptun mit einem dicken Kloß im Hals und mit einem Schluck Havana Club um seine Unterstützung für eine sichere Überfahrt und starteten ins große Unbekannte … klingt dramatisch, war es aber in dem Moment auch für uns.
Zwischen den Inseln Sao Vicente und Santo Antao gab es eine Düse mit viel Wind, wir sahen noch ein paar Schiffe um uns rum, die gleichzeitig losfuhren, verloren sie aber bald aus den Augen. Die Bedingungen waren gut, der Wind blies kräftig und wir waren sehr bald wieder in der Routine der wechselnden Wachen, die sich auf der letzten Überfahrt bewährt hatte. Jutta übernahm die erste Wache von 20.30 Uhr bis 1.30 Uhr, Thomas dann bis zur Dämmerung so gegen 7.00 Uhr.
Nach ein paar Tagen brachten wir unsere Schleppangel aus und ziemlich bald war ein Mahi Mahi dran, der sich aber wieder frei machen konnte, wenig später ein deutlich größerer, den wir auch nicht an Bord bringen konnten und ein viel zu kleiner, den wir wieder über Bord warfen … also alles in allem kein sehr erfolgreicher Angeltag … gibt`s halt Spaghetti.
Am darauffolgenden Tag hatten wir mehr Glück und fingen schon morgens vor dem Frühstück einen schönen Mahi Mahi mit 70 cm Länge. Vor dem großen Gemetzel gab`s erstmal Frühstück, denn auf nüchternen Magen wollten wir uns das nicht geben. Nach dem Frühstück und einem YouTube Video gab`s keine Ausreden mehr … Kopf ab … Innereien raus … Filetieren … und den Rest über Bord … danach erstmal und ausnahmsweise einen Schnaps gegen das flaue Gefühl im Magen. Abends waren wir uns sehr schnell einig, dass wir keinen Fisch essen möchten und vertagten das Essen auf den nächsten Tag, wir brauchten ein bisschen mehr Abstand. Am nächsten Abend gab`s Mahi Mahi mit Zucchini und Reis, sehr lecker.
Da der Wind nachließ und eine Flaute drohte, entschieden wir uns, den Kurs mehr nach Süden zu schieben mit mäßigem Erfolg, immer im Kontakt mit bekannten Seglern, die ein paar Tage vor oder nach uns gestartet waren. Zu der Zeit sahen wir über viele Tage gar keine anderen Schiffe und freuten uns über einen Frachter, der in Sichtweite unseren Kurs kreuzte. So ein Tag mit nur Wasser drumrum kann schon ein bisschen langweilig sein … morgens schmeißt man die fliegenden Fische über Bord, die sich über Nacht an Deck verflogen haben und über den Tag vertreibt man sich die Zeit mit Angeln, Hörbüchern, Lesen und Telefonaten über Skype. An das permanente, heftige Geschaukel gewöhnt man sich nicht wirklich (für Video1 hier klicken) (für Video2 hier klicken).
Dank unserer Starlink-Antenne, die wir zwischendurch abschalteten, um Strom zu sparen, hatten wir während der gesamten Überfahrt eine Internetverbindung, um Wetterdaten abzurufen und mit Familie und Freunden in Verbindung zu bleiben. Nach der Hälfte der Strecke (Bergfest) fingen wir an, uns Gedanken über das Ankommen in der Karibik zu machen, was sich für uns sehr unwirklich anfühlte und Neptun bekam den Rest des Havana Clubs für den Rest der Überfahrt.
In der zweiten Hälfte der Überfahrt gab es etwas Abwechslung durch Squalls. Squalls sind kleinräumige Wetterzellen, die viel Wind aus wechselnden Richtungen und Regen bringen. Man sieht sie bei Tageslicht durch dramatische Wolkenformationen auf sich zurollen und bei Nacht sieht man sie auf dem Radar. Wir packten unsere selbstgenähte Persenning aus, die das Deckshaus abschließt, um vor dem Regen geschützt zu sein. Eine Regendusche an Deck ist auch eine schöne Abwechslung.
Da ja immer irgendwas mit der Technik ist, blieben auch wir nicht verschont und mussten im letzten Drittel feststellen, dass unser AIS ausgefallen war. Das AIS-System empfängt Daten von anderen Schiffen, die man auf dem Plotter sehen kann (Abstand, Geschwindigkeit, Schiffsdaten wie Größe… kürzester Abstand in welcher Zeit usw.) und es sendet die Jobber-Daten an andere Schiffe. Wenn das nicht mehr funktioniert, ist das kein schönes Gefühl. Man sieht die anderen Schiffe nicht und wird auch selbst nicht gesehen. Gut, dass wir ein sehr gutes Radar hatten, auf das wir uns verlassen konnten. Wir zogen den Telefon-Joker, unseren Schulfreund Ludwig, der ein Experte für Bordelektronik ist und selbst ein Segelboot in Schweden hat. Nach einigen Chats hin und her bestellte Thomas noch schnell eine neue GPS-Antenne zu unserer Tochter Johanna, die gerade noch geliefert werden konnte, bevor sie in den Flieger stieg, um uns zu besuchen. Thomas ( Mc Gyver, wie ein Freund immer sagt) aktivierte eine alte GPS-Antenne mit Kontaktspray und Alufolie und das AIS lief wieder.
Am 3. Advent fingen wir unseren 3. Fisch, einen Wahoo (Barracuda) mit 1.00 m Länge. Erstaunlich ist, dass man diese doch recht großen Fische relativ leicht an Bord kurbeln kann. Thomas tötet den Fisch, indem er mit einem Messer von den Kiemen aus in den Kopf sticht. Diesmal schnitten wir die Filets und die Haut direkt ab und erhielten eine ziemlich große Tupperbox voll sehr leckeren Fisch.
Jetzt kam unser Ziel, Barbados, ganz schön näher und, um nicht im Dunkeln anzukommen in der Ankerbucht, nahmen wir Gas raus und dümpelten ein paar Stunden mit sehr geringer Geschwindigkeit durch die Nacht, bis es hell wurde und wir Barbados sehen konnten.
Wir ankerten nach ziemlich genau 15 Tagen Überfahrt in der Carlisle Bay auf Barbados. Hinter uns lagen 2205 sm, also ca. 4080 km, 72 Motorstunden und ca. 300 L weniger Diesel im Tank. Wir hatten leider vergessen, Sekt zu kaufen für diesen besonderen Moment, also gab es Bier … morgens um 10.00 Uhr und kaum waren wir angekommen, fing es an, wie aus Kübeln zu schütten. So viel Regen hatten wir die letzten 12 Monate nicht gesehen. Karibik hatten wir uns etwas anders vorgestellt, aber Jobber freute sich über den Starkregen, denn die Salzkruste der Überfahrt wurde ruck-zuck abgewaschen.
Wir waren leicht überwältigt von so vielen Glückwünschen zur erfolgreichen Überfahrt. Familie und Freunde zu Hause und Segelfreunde hatten mitgefiebert gratulierten uns … soooo schön!
Abends telefonierten wir mit Schulfreunden, die uns im Februar besuchen werden und sie stellten die Frage: „Was war eigentlich das Schlimmste während der Überfahrt?“ Tja, interessante Frage … wir grübelten einen Moment und kamen zu dem Schluss: eigentlich nix! Es gab keine kritischen Momente, unsere Jobber hat die Strecke völlig gelassen und unaufgeregt bewältigt und wir haben uns die ganze Zeit sicher und gut aufgehoben gefühlt … wahrscheinlich hat Neptun auch seinen Anteil daran … wer weiß?
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Micha (Montag, 01 Januar 2024 22:17)
Ein frohes, glückliches sturm- und defektfreies 2024 wünsche ich euch Beiden. Viel Spaß in der Karibik
Liebe Grüße
Michael
Michael (Dienstag, 02 Januar 2024 17:47)
Herzlichen Glückwunsch zur erfogreichen Atlantik-Überquerung!
Lese übrigens gerne den sehr interessanten Blog.
Alles Gute für 2024.
Beste Grüsse
Mike - ehemals "Sibylle von der Teck"
Christoph Burgdorf (Donnerstag, 25 Januar 2024 13:56)
Hey, wir haben uns in Ayamonte getroffen. Gratulation zur Überfahrt! Ich verfolge regelmäßig eure Reise. Wir selber haben gerade unser Boot verkauft und sind jetzt auf der Suche nach etwas größerem was uns dann für ein paar Jahre genügen sollte. Wir haben auch auf unserem Blog davon berichtet: https://windwanderer.xyz/wir-besitzen-kein-boot-mehr/
Antje + Ahmet (Samstag, 27 Januar 2024 10:05)
Wir haben gerade Euren Blog gelesen und möchten Euch ganz herzlich zur erfolgreichen Überfahrt gratulieren! Genießt die Sonne �