Von St. Martin nach Los Roques und 2 Wochen im paradiesischen Nirgendwo

 

Wir verbrachten die letzten Tage im Hafen Fort Louis von St. Martin und bereiteten uns auf die Überfahrt nach Los Roques (Venezuela) vor. Unser Mechaniker Renan kam überraschend einen Tag früher als angekündigt, um den Zahnriemen am Volvo zu wechseln, womit jetzt alle Komponenten der großen Motorwartung erledigt waren.

 

Noch ein paar Einkäufe, ein Abschiedsessen mit der Crew der „Hello Gitti“ und Samstag warfen wir die Leinen im Hafen los und verholten uns in die nahegelegene Ankerbucht für eine weitere Nacht. Wir kochten zwei Gerichte für die Überfahrt, denn Kochen macht bei ruppigen Bedingungen unterwegs nicht so viel Spaß, da ist es toll, man kann einfach mal etwas in die Mikrowelle schieben.

 

 

Für Los Roques (Venezuela) hatten wir noch eine Überweisung zu machen, denn es ist ein Naturschutzgebiet und da sind Gebühren fällig pro Nacht (abhängig von Schiffsgröße und Personenzahl), für die Einklarierung, Immigration, Stempel im Pass, Harbourmastergebühren und für den Agenten „Alejandro“, der sich um den ganzen Papierkram kümmert … alles in allem 1500 Dollar für 2 Wochen. Hätten wir nicht die Info von Freunden gehabt, die der Ansicht waren, es sei jeden Dollar wert, hätten wir uns das wahrscheinlich nochmal überlegt. Es mussten also US-Dollar an Alejandros amerikanische Bankverbindung transferiert werden. Mit unserer deutschen Bank gestaltete sich die Aktion unglaublich schwierig. Nach zig Telefonaten und Warteschleifen, Bänkern, die keine Ahnung hatten, wie sowas geht, „Ohhh, am Montag ist aber Feiertag!“, gaben wir völlig entnervt auf.

 

Thomas eröffnete ein Konto bei WISE, einem Gelddienstleistungsunternehmen, mit dem man unkompliziert und kostengünstig internationale Überweisungen tätigen kann. Das war dann recht fix erledigt und wir blieben noch eine weitere Nacht, um sicher zu gehen, dass das Geld auch angekommen war. Was würden wir nur ohne Starlink machen?

 

Wir schalteten noch den Wassermacher ein, um für die Überfahrt genügend Trink- und Süßwasser zu haben, aber irgendwas war komisch. Es gab einen lauten Knall und Thomas schrie: „Abschalten!“ Nach kurzer Fehlersuche war klar, ein Schlauch war geplatzt, weil ein kleines Ventil für die Verteilung zwischen den Tanks nicht in der richtigen Stellung stand und Wasser war in den Bereich gelaufen, wo Pumpen und Filter eingebaut sind … also Kisten umstauen, alles trockenlegen, den kaputten Schlauch kürzen und alles retour. Wie unkompliziert es doch ist, wenn man zu Hause einfach nur den Wasserhahn aufdreht und es kommt sauberes, trinkbares Wasser aus der Leitung … großartig!

 

 

Am Pfingstmontag konnte es endlich losgehen und wir starteten nachmittags, um vielleicht … eventuell … möglichst nicht im Dunkeln in Los Roques anzukommen. Ein bisschen nervös waren wir schon, denn wir hatten seit der Atlantiküberquerung im Dezember nur zwei Nachtfahrten hinter uns gebracht und für die ca. 450 Seemeilen würden wir 3-4 Nächte brauchen.

 

Unser Wachsystem hatte sich auf der Atlantiküberquerung gut bewährt und so hatte Jutta die erste Nachtwache bis 1.00 oder 2.00 Uhr, wir hatten guten Wind, aber die Welle war steil, 2-3m hoch und ziemlich unerträglich. Wir wurden 24 Stunden wild hin und hergeworfen, mussten aufpassen nicht aus dem Bett geschleudert zu werden, Schuhe und Klamotten anziehen ging nur in eingekeilten Ecken, vom Klo mal ganz zu schweigen! Das Ganze zog sich über drei Nächte, zum Angeln hatten wir keine Lust bei dem Gebocke, selbst einem Tölpel, der auf unserem Dinghi auf dem Vorschiff übernachten wollte, war es nach ein paar Stunden zu wild und er suchte laut meckernd das Weite.

 

Das einzige Highlight war eine Gruppe Delfine, am dritten Tag, die uns eine Weile begleiteten. Somit waren wir heilfroh, am Donnerstagmorgen endlich in Gran Roque (Hauptinsel mit kleinem Flughafen) anzukommen und den Anker fallen zu lassen, der solala auf dem harten Meeresgrund hielt.

 

 

Wir ließen das Dinghi zu Wasser und brachten unsere Pässe zu Alejandro, der in einer Bar auf uns wartete. Dann gings zurück zum Boot und erstmal in die Koje mit nur noch leichtem Gewackel, um ein paar Stunden Schlaf nachzuholen.

 

Wir trafen uns am späten Nachmittag ein weiteres Mal mit Alejandro in der besagten Bar bei einer Pina Colada. Er hatte uns eine Karte des gesamten Atolls mitgebracht und hatte uns im Vorfeld schon Vorschläge für Ankerplätze in Navionics (Navigationsprogramm) per WhatsApp geschickt. Wir bekamen unsere gestempelten Pässe zurück (Ein-und Ausklarieren geht nur in Gran Roque) und ein paar allgemeine Tipps zu verschiedenen Themen, z.B. Angeln und dass die elektronischen Navigationskarten ungenau sind und man nur mit Satellitenkarten navigieren soll. Alejandro kommt ursprünglich aus Caracas, lebt aber schon 25 Jahre in Los Roques, kennt sich also sehr gut aus im „Paradies“ und kann nahezu alles möglich machen, z.B. Einkäufe oder frischen Fisch per Boot dahin schicken, wo man gerade ist (nur auf einer Insel gibt es einen Supermarkt) und er wird unsere Pässe am Ende unseres Aufenthaltes von einer der westlichen Inseln abholen lassen, stempeln lassen und wieder zurück bringen…er scheint sich ein gut funktionierendes Netzwerk aufgebaut zu haben, um Seglern wie uns ein Rund-Um-Sorglos-Paket 24/7 anbieten zu können. „Call me any time, don`t be shy“.

 

 

Am nächsten Tag schauten wir uns den Ort Gran Roque an und gingen Einkaufen. Es gab einen kleinen Flughafen mit einer ziemlich kurzen Landebahn, an beiden Enden Wasser. Hier starteten und landeten in kurzen Abständen kleine Maschinen, die uns irgendwie an einschlägige Filme erinnerten, in denen es um Drogenkartelle ging.

 

Es gab keine asphaltierten Straßen, sondern Sand, keine Autos (nur einen einzigen Laster) und die Atmosphäre war eine ganz andere als auf den karibischen Inseln … irgendwie mehr südamerikanisch. Es gab sehr einfache Behausungen neben stylischen kleinen Hotels und sehr freundliche Menschen, die natürlich Spanisch sprachen. Die offizielle Währung ist der Bolivar (1 € = knapp 4.000 000 Bolivar), Ergebnis: man bezahlt in US-Dollar. Das Angebot im Supermarkt war sehr überschaubar, ein bisschen welkes Gemüse, ein paar rostige Dosen und ganz viel Bier und Rum … na gut, probieren wir mal das lokale Bier!

 

 

Thomas versuchte, beim lokalen Friseur einen Termin zu bekommen, die Langfahrtmatte musste mal wieder ab, aber es gab keinen Strom, somit auch kein Licht … vielleicht manana.

 

Wir brachten also unsere spärlichen Einkäufe per Dinghi zum Boot und fuhren ein paar hundert Meter weiter zur Insel Madriski, da hier der Schwell geringer und der Ankergrund besser war. Wir fuhren mit dem Dinghi an den Strand, wo sich die Schickeria tummelte. Hier gab es kleine Ausflugsboote, die ihren Kunden ein Zelt, ein paar Liegestühle und eine Kühlbox mit Getränken an den Strand stellten. Dann hört man Partymusik, steht mit Hut, Sonnenbrille und Getränk im flachen Wasser und wartet bis die Sonne untergeht und man wieder abgeholt wird. Wir blieben eine Nacht vor Madriski und buchten nebenher Flüge und Bahntickets nach und innerhalb Deutschlands für unseren „Heimaturlaub“ im Herbst.

 

 

Am nächsten Tag ging es weiter nach Südosten Richtung Halfmoonriff auf den Tracks, die wir von Alejandro bekommen hatten. Hier kann man sich nicht auf die Navigationssoftware verlassen, sondern navigiert per „Eyeball-Navigation“, das heißt man leitet die Tiefe von der Wasserfarbe ab … je blauer und dunkler, desto tiefer … wenn es helltürkis wird, wird es gefährlich. In dem Spot, den wir uns ausgesucht hatten, lagen schon 3 Schiffe, also entschieden wir uns für einen nahegelegenen Platz, wo wir allein waren.

 

Das Ankermanöver war etwas knifflig, weil es eine Kante im Meeresboden gab und schlagartig flacher wurde, wir fuhren also bis Jobber im Sand aufsetzte, warfen den Anker und ließen uns zurück ins tiefere Wasser fallen, was beim zweiten Mal auch klappte. Bei der ganzen Ankerei hatten wir die Angel am Heck komplett vergessen und beim Rückwärtsfahren landete die Angelschnur im Propeller. Der Skipper musste also mit einem Messer zwischen den Zähnen ins Wasser und den Propeller freischneiden … die Nummer hatten wir vor vielen Jahren schonmal in Dänemark, bei etwas anderen Wassertemperaturen (klicke hier für den Film).

 

 

Am nächsten Vormittag verschwanden die Boote in Buchiyaco und wir ankerten vor dieser kleinen Mangroveninsel (klicke hier für den Film). Wir fuhren mit dem Dinghi ins flache Wasser, warfen den kleinen Dinghianker und schauten uns zu Fuß an, was ein paar Angler in Sichtweise im knietiefen Wasser hier so taten. Es gab zwei einheimische Fischer, die mit einem Touristen aus Argentinien zu verschiedenen Spots fuhren und hier im sehr flachen Wasser ihre Angeln auswarfen. Sie fingen 40 – 50 cm große Papageienfische, machten Fotos und ließen die Fische wieder frei.

 

Als Nächstes machten wir uns auf den Weg nach Norden am Riff entlang, knapp an Saky Saky vorbei zum nächsten Ankerplatz. Saky Saky ist eine Miniinsel aus Sand, auf die gerade mal 3-4 Sonnenschirme Platz haben und die ein beliebter Kitesurfspot ist. Wir hatten unsere Angel ausgebracht und, wie Alejandro schon angekündigt hatte, gab es hier „lots of fish“. Wir hatten ihm Fotos von unseren Ködern geschickt, er hatte uns einen empfohlen und prompt war nach einer Viertelstunde ein Fisch an der Angel. Dieser war wohl ziemlich groß und riss sich los, aber nach weiteren 20 Min war ein Barracuda am Köder, den wir an Bord holen konnten, … lecker!

 

 

Die Nacht war bei 30 kn Wind ein bisschen unruhig, aber unser Anker hielt uns an Ort und Stelle. Wir hatten keine Lust auf eine weitere schaukelige Nacht mit heulendem Wind und fuhren zurück nach Madriski, um am nächsten Tag auch nochmal in Gran Roque einkaufen zu gehen. Vor Madriski lagen wir in der Nähe einer großen Motoryacht und hier war reger Betrieb. Kleine Motorboote kamen und gingen und 3 weiße, koffergroße Pakete in Plastikfolie wurden ausgetauscht … hhhmmm Mafia? Drogen? Wir wollten es gar nicht wissen!

 

Am nächsten Tag gingen wir nochmal Shoppen in Gran Roque, denn danach wollten wir nach Westen fahren und da gab es keinerlei Möglichkeit mehr an frische Lebensmittel zu kommen. Wir waren gegen 15.00 Uhr vor Ort und alles war wie ausgestorben. Die Einwohner hingen im Schatten ab, alle Geschäfte waren geschlossen und gegen 16.00 Uhr, dem Ende der Siesta, kam langsam wieder Leben in den Ort. Wir kauften ein paar Getränke, frisches Ost und Gemüse war Fehlanzeige (in einem Geschäft gab es eine Dose Parmesan mit Haltbarkeitsdatum von Mitte 2023 neben ein paar rostigen Dosen… o.k. vielen Dank) und nahmen einen zweiten Anlauf zum Thema Friseur für Thomas. Er bekam tatsächlich kurzfristig einen Termin, saß im Wohnzimmer des Friseurs, der mit einem Kamm mit sehr wenig Zinken einen ziemlich guten Job machte und das Ganze für 10 Dollar.

 

 

Na gut, dann kommen wir auch ohne frische Lebensmittel durch und werfen halt die Angel wieder aus. Wir starteten am nächsten Tag, blieben erstmal im Sand stecken und die „Mafia“ lotste uns mit Handzeichen aus der Ankerbucht … sehr nett … vielen Dank!

 

Wir fingen unterwegs einen weißen Thuna und fanden unseren nächsten Ankerplatz vor der Insel Crasky mit zwei anderen Booten. Wir meldeten uns für den Abend an zum Essen bei Eduardo und seiner Frau Carolina. Wir bestellten gegrillten Fisch und, ganz mutig, eine Portion Conch (Meeresschnecke). Wir verbrachten den Abend bei Eduardo und seiner Familie mit einer holländischen Crew bei einem leckeren Essen und interessanten Gesprächen in einer Mischung aus Holländisch, Englisch und Spanisch.

 

Da der Ankerplatz sehr unruhig und nah am Ufer war, machten wir uns am nächsten Vormittag auf in Richtung Sarky, wo wir ruhiger und ganz allein lagen. Leider fiel eine Möwe unserem Windgenerator zum Opfer, weil sie zu nah an den Rotor flog. Das war sehr traurig und in Crasky hatten wir schon einen abgetrennten Flügel an Deck gefunden … offensichtlich kannten sich die Möwen hier nicht mit Windgeneratoren aus … das war uns bisher noch nie passiert. Der Windgenerator hatte hier in Los Roques viel Energie geliefert, weil hier immer um die 20 kn Wind waren und in Kombination mit unseren neuen Solarpaneelen hatten wir schon seit 2,5 Wochen den Generator nicht mehr anwerfen müssen … waren also absolut autark unterwegs.

 

 

Wir blieben 2 Nächte vor Sarky in einer wunderschönen Bucht, gingen Schnorcheln, lagen im flachen Wasser, Fische um uns herum und erkundeten die Insel, auf der es kleine Salzseen gab und sammelten Muscheln. Abends flog eine Gruppe von 25 -30 Flamingos über unser Boot hinweg … ein absolut grandioser Anblick und wir waren so fasziniert, dass wir vergaßen, ein Foto zu machen.

 

Alejandro hatte überlegt, unsere Pässe hier abholen zu lassen, aber es gab kein anderes Boot weit und breit … manana?

 

 

Da für die nächsten Tage noch mehr Wind angesagt war, verzogen wir uns in eine geschütztere Bucht auf der Nachbarinsel Carenero und auch hier waren wir komplett allein.

 

Am Ufer vor unserem Ankerplatz stand ein seltsamer Kasten und bei näherer Betrachtung befand sich eine Madonna in dieser Art offenen Vitrine, „La Virgin del Valle“, die Jungfrau des Tals, die Schutzpatronin der östlichen Staaten Venezuelas, der Fischer und bolivarischen Marine. Diese Madonna begegnete uns schon an sehr vielen anderen Stellen, u.a. in, für unsere Begriffe, ärmlichen, zusammengezimmerten Behausungen, teilweise in Lebensgröße. Sie schien also sehr wichtig zu sein für die Menschen, die hier so eng mit dem Meer verbunden waren.

 

Vor Carenero gab es einen spannenden Schnorchelspot mit einer großen Vielfalt an verschiedenen, bunten Fischen (ein paar Eindrücke als Film).

 

Alejandro hatte einen Bekannten auf Carenero „Pain“, der nun unsere Pässe abholen sollte, was aber auch irgendwie nicht klappte. Wir fuhren mit dem Dinghi zu der einzigen bewohnten Hütte auf der Insel, ließen unser Beiboot dort und gingen zu Fuß mit Schnorchelequipment und dem Hund der Familie an das Außenriff, von wo aus wir dann etwa 800 m entlang des Riffes schnorchelten und zu Fuß zum Dinghi zurückliefen. Wir fragten uns, wie das Leben wohl ist als einziger Bewohner auf einer Insel ohne Strom und Wasser und mit einem Fischerboot, für uns unvorstellbar.

 

 

Die nächste Insel, die wir besuchten, war Dos Mosquises. Auf der kurzen Strecke dorthin fingen wir noch schnell einen Barracuda und das Abendessen war gesichert. Auf der Insel gab es nämlich keinen Supermarkt, dafür eine kleine Schildkrötenauffangstation, 3-4 Häuser, die meisten leer und 3 Bewohner, die die Schildkröten betreuten.

 

Plan Nr. 3 von Alejandro war, unsere Pässe hier abholen zu lassen, da Dos Mosquises auf einer Ausflugsroute liegt, die von ein paar Booten jeden Tag angefahren wird. Eigentlich wollten wir einen Tag später Los Roques verlassen, aber Alejandro überzeugte uns, noch ein paar Tage zu bleiben, bis der Papierkram erledigt war. Na ja, es gibt wohl schlimmere Orte für eine Warteschleife. Unsere Pässe wurden irgendwann abgeholt und zurückgebracht, gegen Trinkgeld und ein paar Dosen Bier, wir nutzten die Zeit zum Schnorcheln, fuhren 3 Tage später los als geplant und gaben in Bonaire im Hafen Bescheid, dass wir später kommen würden.

 

 

Am Sonntagnachmittag ging der Anker auf und wir machten uns auf den Weg nach Bonaire, etwa 92 Seemeilen über Nacht und Montagvormittag sollten wir dort sein. Bye-Bye Los Roques, es war eine faszinierende Zeit in unberührter Natur.

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 1
  • #1

    Kairos (Dienstag, 18 Juni 2024 19:04)

    Klingt toll! Da segelt ja nicht jeder hin. Auf bald!
    Nicolai