Von Los Roques nach Bonaire

 

Wir starteten mittags in Los Roques, um mit einer Nachtfahrt morgens in Bonaire anzukommen. Auf den ersten 20 Seemeilen sahen wir viel Müll auf der Meeresoberfläche schwimmen, Plastikflaschen…kleine Plastikteile…Folie und uns drängte sich der Verdacht auf, dass das Entsorgungskonzept von Los Roques so aussah, dass man den Müll einfach ins Meer kippt und wartet, bis Wind und Strömung alles nach Westen schiebt. Sehr ernüchternd, wenn man eine Zeitlang in diesem unberührten Atoll verbracht hat und die Realität hatte uns wieder.

 

 

Wir kamen planmäßig nach einer ruhigen Nachtfahrt in Bonaire an, erledigten erstmal den Papierkram mit sehr freundlichen Beamten („Relax..you are in Bonaire“), gingen Frühstücken, was ziemlich toll war nach 3 Wochen im Nirgendwo.

 

 

 

Im Hafen, den wir im Vorfeld für einen Monat reserviert hatten, erwartete uns schon die OCEANDEVA, Freunde, die in Medemblik eine Weile unsere direkten Nachbarn waren und 2 Jahre vor uns gestartet sind. Da gab es eine Menge zu erzählen.

 

 

Vorher mussten wir allerdings feststellen, dass in unserem umfangreichen Adaptersortiment für den Anschluss zum Landstrom kein passender Stecker zu finden war. Hier auf Bonaire brauchte man offenbar ein Ding, das wir noch nie zuvor gesehen hatten. Na gut, dann zu Fuß in brütender Mittagshitze zu einem Ship Chandler und für 150 $!!!! diesen elenden Stecker gekauft, den Thomas dann zu einem Adapter für unser Boot zusammenlötete…irgendwie auch nicht so einfach, weil man so verkabeln muss, dass aus den 110V 220V werden, wie auch immer, es klappte.

 

 

Da Jobber furchtbar salzig und dreckig war nach den letzten 3 Wochen im Off, nutzten wir den Wasseranschluss an unserem Liegeplatz, spülten erstmal den Saharastaub runter und entrosteten sämtliche Edelstahlbeschläge mit einem Spezialmittel…so jetzt konnten wir uns wieder einigermaßen blicken lassen.

 

 

 

Wir mieteten ein Auto von E.G., einem Bekannten unserer Nachbarn, ein bisschen inoffiziell, für den nächsten Tag 12.30 Uhr und für kleines Geld. Wir schleppten also gesammelten Müll der letzten 3 Wochen (mit der Illusion, dass auf einer niederländischen Insel bestimmt recycled wird…weit gefehlt!), Rucksäcke und 3 große Taschen mit Wäsche zum Treffpunkt. Wer nicht kam, war E.G. Mittelmäßig genervt schleppten wir alles wieder retour zum Boot, um 2 Stunden später doch noch aufzubrechen, als der Autobesitzer doch noch auftauchte.

 

Sein Auto, ein Pick-up wie die meisten Autos auf Bonaire, war, wie erwartet, eher basic ohne Klimaanlage, Zentralverriegelung, Fensterheber und was man als verwöhnter Europäer so erwartet. Wir lernten, dass man ein „Islandcar“ niemals abschließt, weil es sonst nur aufgebrochen und dadurch beschädigt wird und hier gibt es keine Ersatzteile, also lässt jeder sein Auto offen.

 

Wir fuhren also als erstes zur Wäscherei und füllten zwei große Waschmaschinen. Naiv, wie wir waren, dachten wir, es gäbe verschiedene Temperaturprogramme (60 Grad Bettwäsche, 40 Grad …) Man sagte uns: „Ja, Du kannst verschiedene Programme wählen, aber es gibt nur eins.“ O.K. dann also kalt, kalt oder kalt, denn warmes Wasser ist viel zu teuer.

 

 

 

Ein weiterer, wichtiger Punkt auf unserer To-Do-Liste war die Beschaffung eines Medikamentes, das Thomas gegen seine Diabetes brauchte, und das zur Neige ging. Wir rechneten mit dem Schlimmsten und einer tagelangen Odysee, aber das lief unerwartet glatt. In einer Praxis bekamen wir ein Rezept am Empfangstresen für ein rezeptpflichtiges Medikament, ohne einen Arzt gesehen zu haben für 25 $. Am nächsten Tag konnten wir das Medikament in der einzigen Apotheke der Insel abholen und es war exakt das gleiche Präparat wie in Deutschland… unfassbar einfach!

 

 

So hatten wir noch Zeit, uns den Süden der Insel mit E.G.`s Auto anzusehen, der sehr trocken und ein bisschen trostlos ist. Hier gab es Kaktushecken, wildlebende Esel, wunderschöne pinke Flamingos und ebenso pinke Wasserbecken zur Salzgewinnung mit dazugehörigen Minihäusern, in denen in früheren Zeiten Sklaven gelebt haben...unvorstellbar. Nach einem Schnorcheltrip am Salzpier, ließen wir den spannenden Tag in einem netten Lokal in der Pampa ausklingen.

 

 

 

Da die Fußball-EM bald losgehen sollte, richteten wir uns einen VPN-Zugang ein, um deutsches Fernsehen empfangen zu können, was prima klappte und dann war da noch der Antrag für das B2-USA-Visum. Wenn man mit dem eigenen Boot in die USA einreisen möchte, reicht ein Touristenvisum nicht aus, man braucht ein sogenanntes B2-Visum. Wir hatten die Beantragung des Visums schon eine Weile vor uns hergeschoben und jetzt war es so weit. Man füllt umfangreiche Formulare online aus, wobei das System regelmäßig abstürzt und man die letzte Seite erneut ausfüllen muss. Hier werden Fragen gestellt zu Ausbildung, Beschäftigungsverhältnissen, Verdienst, Reisen in die USA …wann?…wo?…wo genau?…wie lange? und in welche Länder man in den letzten 5 Jahren gereist ist, was bei uns 21 an der Zahl sind, bis jetzt. Dazu kommen Fragen wie: Sind Sie ein Terrorist? Sind Sie ein Menschenhändler oder Geldwäscher oder kennen Sie solche Leute? Das Ganze für jede Person gesondert, also 2-Mal. Boahhh, das Ganze dauerte 2 Tage, wir schickten es zur amerikanischen Botschaft nach Curacao und warten jetzt seit 3 Wochen auf einen Termin zu einem Interview in der Botschaft, was der letzte Schritt der Prozedur wäre, aber es gibt keine Termine, was uns so langsam etwas Sorgen bereitet…na,ja wird schon.

 

Wir hatten direkt neben uns ein Boot aus Kanada, PHILOSOPHIE mit Richard und Sophie (daher der Name), die schon seit 2 Jahren auf Bonaire leben. Sophie ist Divemaster und bot an, uns zum Tauchen mitzunehmen, was für uns eine großartige Möglichkeit war, unsere Taucherfahrung zu erweitern, waren wir schon einige Jahre nicht mehr getaucht. Wir checkten also zusammen unsere Ausrüstung, wir besorgten noch ein paar Kleinigkeiten in einem der, gefühlt, 100 Tauchshops im „Divers Paradies“, kauften noch einen dünnen Shorty (kurzer Tauchanzug) für Jutta und nun konnte es also fast losgehen. Sophie beauftragte uns noch mit einer letzten Vorbereitung: RFM – READ THE FUCKING MANUEL unserer Tauchcomputer, die wir noch nie benutzt hatten, wie auch einen Teil der restlichen Ausrüstung. Dieser Part blieb an Thomas hängen.

 

 

 

 

 

Unser erster Tauchgang fand unweit des Hafens statt. Auf Bonaire gibt es unzählige Tauchplätze, die mit dem Auto zu erreichen sind. Man fährt mit dem Pick-up, den Tauchkram hinten auf der Ladefläche, zu einem Strandabschnitt, parkt dort und geht direkt ins Wasser. Bonaire ist komplett von Korallenriffen umgeben, so dass man eine kurze Strecke Flachwasser mit Sandboden überwinden muss und dann zum Riff gelangt, das dann 15-20 m in die Tiefe geht. Überall an den Stränden sieht man Taucher mit Pick-ups und jeder 2. Laden in Kralendijk (Hauptort) ist ein Tauchshop, wo man Ausrüstung kaufen oder leihen kann oder Tauchflaschen füllen lassen kann.

 

Sophie machte also, wie das so üblich ist, ein paar Sicherheitsübungen mit uns und dann ging es mit etwas wackeligen Flossen zum Riff auf etwa 20m Tiefe. Es war ein gutes und sicheres Gefühl, sie dabei zu haben und wir gewannen schnell an Sicherheit, Jutta nicht ganz so schnell, aber gut.

 

 

 

2 Tage später sollte es mit dem Auto zum nächsten Tauchgang gehen, aber es kam etwas dazwischen. Auf der Straße Richtung Norden kam uns ein Auto entgegen, plötzlich sprangen ein paar wilde Ziegen auf die Straße und zwei von Ihnen kollidierten mit dem entgegenkommenden Auto. Eine Ziege rappelte sich wieder auf, die Fahrerin stieg aus, begutachtete ihren kaputten Kotflügel, stieg wieder ein und fuhr davon. Wir waren auch ausgestiegen und bemerkten eine Ziege, die auf der gegenüberliegenden Seite im Graben lag und elendig schrie. Wir dachten, sie hätte sich im Gestrüpp verfangen, sahen aber bald, dass sie verletzt war. Wir beschlossen, sie mitzunehmen und zum Tierarzt zu fahren. Wir fuhren also in die Stadt, Thomas mit der Ziege im Arm auf dem Rücksitz, die sich sehr ruhig verhielt, nur hin und wieder ein wenig meckerte. Beim Tierarzt kamen wir als Notfall sofort dran und bald stellte sich heraus, dass das arme Tier eine Wirbelsäulenverletzung durch den Autounfall hatte und wohl nicht zu retten war. Sie, eigentlich ein ER bekam also mehrere Spritzen und wurde in Thomas Armen in den Ziegenhimmel befördert. Wir mussten nichts bezahlen, aber nach dem Erlebnis wollten wir nicht mehr tauchen gehen.

 

 

Wir machten noch 3 weitere Tauchgänge mit Sophie mit dem Auto und mit dem Dinghi, was für uns eine neue Erfahrung war und wir lernten eine Menge wertvolle Tipps und Tricks von einem Profi. Beim dritten Tauchgang mit dem Dinghi schloss sich uns ein schwedisches Paar an, das wir aus unserem Hafen kannten. Sie haben auch ein Boot von Contest wie wir, also hatten wir ganz schnell ein gemeinsames Thema und verstanden uns gut.

Viveka und Eric machten diese fantastischen Unterwasseraufnahmen mit ihrer Kamera und Viveka bearbeitete die Fotos mit einer  Spezialsoftware, vielen Dank dafür (Klick hier für ein Video).

 

 

 

Ein paar Tage später nahm Sophie uns vier mit zu einem sehr besonderen Erlebnis. Wir gingen auf einen Nacht-Schnorchel-Trip. 4 Tage nach Vollmond und 45 Minuten nach Sonnenuntergang gibt es ein besonderes Phänomen auf Bonaire. Kleine Muschelkrebse (Ostrakoden), etwa 0,5-2mm groß, treffen sich um diese Zeit zur Paarung und bei absoluter Dunkelheit produzieren die Männchen Biolumineszenz, um Weibchen anzulocken und zu beeindrucken. Wir gingen also mit Taschenlampen ins Wasser, schwammen ein bisschen vom Strand weg und löschten zum besagten Zeitpunkt alle Lichter. Im Bereich von bewegtem Wasser, also an den Flossen und den Armen, die wir bewegten, leuchteten Tausende von kleinen Lichtpunkten auf. Es entstand der Eindruck, im Weltraum inmitten Abertausender Sterne zu schweben, atemberaubend, unwirklich und irgendwie magisch. Nach etwa 30 Minuten erloschen die kleinen Lichtpunkte nach und nach und der „Spuk“ war vorbei. Man kann dieses Phänomen nicht auf Fotos festhalten, weil es in absoluter Dunkelheit geschieht und das Licht nicht ausreicht. Tief beeindruckt gingen wir wieder an Land und nahmen dieses Erlebnis als etwas sehr Besonderes mit.

 

 

Nach der Auffrischung unserer Tauchfähigkeiten, fühlten wir uns bereit für neue Abenteuer und mieteten uns mit den Schweden, Eric und Viveka, zusammen ein Auto und gingen zu viert auf drei weitere Tauchgänge (Saltpier, The Lake, Bachelor Beach) und nutzten das Auto zum Einkaufen und Füllen der Tauchflaschen (Klick hier für ein Video).

 

 

 

Überhaupt gab es eine sehr nette Hafencommunity, man half sich gegenseitig, ging zusammen Essen oder Einkaufen, besuchte sich gegenseitig zum Sundowner oder ging zusammen sonntags zum „Mexican Train Domino“, eine Domino-Variante, die auf den karibischen Inseln sehr verbreitet ist.

 

 

 

Dann war da noch der Hurricane BERYL, der auf die kleinen Antillen zurollte. Wir schauten jeden Morgen einen YouTube Kanal „Mr. Weatherman“, der einen sehr ausführlichen Bericht der Lage lieferte. Sehr schnell wurde klar, dass dieser Sturm (noch nie gab es so früh in der Saison, die von Anfang Juni bis Ende November geht, einen so schweren Sturm) sich zu einem Monster entwickeln würde. Wir verfolgten die Zugbahn von BERYL und die Position der uns bekannten Schiffe, die sich nördlich von uns befanden. Da die schwereren Stürme normalerweise erst im August oder September zu erwarten sind, befanden sich noch einige Boote auf St. Lucia, Martinique oder Grenada. Wir nahmen zu einigen Kontakt auf und fragten, „Was habt Ihr vor?... Bringt Euch besser in Sicherheit.“ Als klar wurde, welche Bahn BERYL nehmen würde, setzte eine massive Fluchtbewegung vieler Boote nach Süden, Richtung Trinidad, ein. Leider hat es die Insel Carriacou, auf der wir Silvester verbracht haben, schlimm erwischt. Die meisten Häuser, wohl auch der Paradise Beach Club, hat Beryl dem Erdboden gleich gemacht…sehr traurig! (Klick hier für ein Video)

 

 

Ende Juni bekamen wir eine E-mail von Starlink (unserer Satellitenantenne), in der uns mitgeteilt wurde, dass eine Woche später der Dienst auf Bonaire eingestellt würde, da kein Vertrag mit der Regierung zustande gekommen sei. Alle Boote um uns herum hatten eine sogenannte „Dish“, hatten die gleiche Nachricht bekommen und eine leichte Panik brach aus. Für uns hängt viel an einer funktionierenden Internetverbindung: Kommunikation mit Familie und Freunden, Wetterberichte, Aktualisierung unseres Blogs, Bankgeschäfte, Bestellungen von Ersatzteilen, Kontakt zur Botschaft für unser USA-Visum…und..und..und, anderen Seglern geht es ähnlich. Glücklicherweise lief die Antenne weiter und alle hielten so ein bisschen die Luft an und hofften auf`s Beste.

 

 

EMBLA, das Boot der Schweden verließ Bonaire mit dem Ziel Kolumbien, Santa Marta und über die noch funktionierende Starlinkverbindung konnten wir sie verfolgen und sahen, dass sie 72 Stunden später gut angekommen waren.

 

 

Am nächsten Tag stand ein weiterer Tauchgang mit Sophie auf dem Programm. Wir fuhren mit dem Auto nach Norden, entschieden uns allerdings doch für einen anderen Spot, weil der Zugang zum Meer mit einer Kletterpartie verbunden war, die wir mit Tauchausrüstung nicht absolvieren wollten und das Meer war sehr kabbelig. Die Tour im Norden war aber landschaftlich spannend, wir fuhren noch an der Kadushy-Destillerie vorbei, die Kaktusschnaps produziert, das einzige, das auf der Insel wächst. Der Tauchplatz im Süden (Toris Reef) war dann sehr schön und komfortabler ins Wasser zu kommen, wir sahen eine große Wasserschildkröte an den Korallen knabbern. Leider hatte Juttas Atemregler ein Problem, er verlor sehr schnell sehr viel Luft, so dass wir schneller auftauchen mussten als geplant und es gibt kein Ersatzteil auf der Insel… wieder mal ein Fall fürs Internet.

 

 

Der Termin unserer Abreise nach Curacao rückte näher und wir wären eigentlich gern etwas länger geblieben, hatten aber den Hafenplatz in der Curacao Marine Zone ab 9. Juli gebucht, den wir nicht verlieren wollten. Es gab noch eine nette Einladung zum Barbecue von britischen Nachbarn, die ihren Hochzeitstag mit Bier, Wein und Hotdogs feierten und danach verfielen wir in den üblichen Abreisemodus mit kleineren Reparaturen, Aufräumarbeiten, um Jobber wieder seefest zu machen, Papierkram mit Zoll und Immigration, Abmelden im Hafenbüro usw.

 

 

 

Morgens ganz früh am 9. 07. waren wir so weit und lösten die Leinen mit müden, winkenden Seglern auf dem Steg. Es ist immer wieder ein bisschen traurig, einen Ort und Menschen zu verlassen, mit denen man sich angefreundet hat, wenn man weiß, man kommt nicht zurück, aber so ist das, wenn man ein Nomadenleben führt. Und die anderen werden uns auch über Internet verfolgen und schauen, ob wir gut in Curacao ankommen.

 

 

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